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DIE FIRST LADY UND DIE KÖNIGIN - Martha Washington und Marie Antoinette, Teil 2

23:03
 
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Die eine steigt als First Lady der jungen USA zur Ikone auf. Die andere wird als Königin geköpft. Martha Washington und Marie Antoinette sind Frauen an der Spitze von Staaten in revolutionären Zeiten. Getroffen haben sie sich nie, aber ähnliche Erfahrungen gemacht auf der Suche nach ihrer Rolle. Folge 2. Von Susi Weichselbaumer (BR 2024)

Credits

Autorin & Regie : Susi Weichselbaumer
Es sprachen: Katja Amberger, Irina Wanka, Florian Schwarz, Katja Schild, Peter Weiß, Friedrich Schloffer, Hemma Michel, Peter Veit, Gudrun Skupin, Jennifer Güzel
Technik: Josef Angloher
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview: Catherine Allgor, Michaela Lindinger
Besonderer Linktipp der Redaktion:
NDR (2024): Föhr nach New York – eine Auswanderergeschichte
Erst die Weltwirtschaftskrise, dann der Zweiter Weltkrieg – mittendrin zwei junge Friesen in New York. Inge und Hermann sind unabhängig voneinander hierher ausgewandert und verlieben sich 1938. Doch dann muss Hermann für die Amerikaner an die Front. Wird er als Deutscher auf Deutsche schießen? Wie geht es weiter? Ihr Enkel Bente Faust hat ihre Spuren bis nach Harlem, New York, verfolgt und erzählt in sechs Folgen ihre Liebesgeschichte. ZUM PODCAST
Linktipps:
Deutschlandfunk (2019): First Ladies in Deutschland – Die Rolle der Bundespräsidenten- und Kanzlergattinnen
Mal sozial engagiert, mal selbst politisch aktiv: Die Frauen der deutschen Staatsmänner hatten durchaus Einfluss – doch ihr Engagement geriet im Schatten der Ehemänner oft in Vergessenheit. Historikerin und Buchautorin Heike Specht hat die First Ladies seit 1949 porträtiert. JETZT ANHÖREN
radioWissen (2021): Frei, gleich und brüderlich – Die Französische Revolution
In schwarzem Trauergewand sitzt Marie Antoinette in ihrer primitiven Zelle in der Conciergerie - bewacht von Soldaten der Revolutionsregierung. Mit der Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" schafften die Revolutionäre nicht bloß die Abkehr vom feudalen Ständestaat - sie formulierten ein Ideal, das heute in den Verfassungen der Demokratien zur selbstverständlichen Norm geworden ist. Noch heute gedenken die Franzosen an ihrem Nationalfeiertag, dem 14. Juli, des Sturms auf die Bastille. Doch das anfängliche Hochgefühl wich bald dem Terror. JETZT ANHÖREN

Deutschlandfunk (2024): George Washington – Das Erbe des ersten „Mr. President“
Am 30. April 1789 wurde George Washington als erster US-Präsident vereidigt. Er begründete nicht nur den Supreme Court, die US-Marine und die nach ihm benannte Hauptstadt. Washington prägte auch das neue Amt und wie sich ein Mr. President inszeniert. JETZT ANHÖREN
Und hier noch ein paar besondere Tipps für Geschichts-Interessierte:

Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
DAS KALENDERBLATT erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum - skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Und noch viel mehr Geschichtsthemen, aber auch Features zu anderen Wissensbereichen wie Literatur und Musik, Philosophie, Ethik, Religionen, Psychologie, Wirtschaft, Gesellschaft, Forschung, Natur und Umwelt gibt es bei RADIOWISSEN.
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
Alles Geschichte finden Sie auch in der ARD Audiothek:
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:

MUSIK & ATMO

1 ERZÄHLERIN
Es ist Frühling 1789: Martha Washington ist gerade angekommen in New York, dem provisorischen Amtssitz des ersten, eben erst gewählten Präsidenten der neuen Vereinigten Staaten von Amerika. Die Menge jubelt ihrem Mann George und ihr zu. Sie ist die erste First Lady.

2 ERZÄHLERIN
Bloß, dass der Begriff „First Lady“ damals noch gar nicht richtig etabliert ist und auch keiner weiß, welche Aufgaben die Ehefrau eines gewählten Präsidenten so übernehmen könnte. Soziales Engagement zeigen? Politische Ämter übernehmen? Oder nichts tun, außer an Gattenseite huldvoll lächeln?

ZITATORIN MARTHA
„Ich schätze nur das, was von Herzen kommt.“

1 ERZÄHLERIN
Betont Martha Washington in ersten Interviews häufig.

2 ERZÄHLERIN
Und jedes Mal will die Presse direkt wissen: Wofür genau schlägt dieses Herz? Die Gazetten drängen auf Privates.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Nicht verwunderlich, würde eine Königin wie Frankreichs Marie Antoinette urteilten. Für sie, wie überhaupt, den europäischen Hochadel der damaligen Zeit ist klar: Privatheit gibt es bei Königs nicht. Von Gottes Gnaden meint für alle, ganz und gar. Am besten, man legt sich ein dickes Fell zu.

1 ERZÄHLERIN
Aber gilt das auch in einem demokratischen System, wie es zu der Zeit in den USA entsteht? Martha Washington ringt lange und oft mit der Frage: Was sollen und dürfen die Menschen sehen und erfahren von einer First Lady der Vereinigten Staaten?

2 ERZÄHLERIN
Als Frau eines gewählten Staatsoberhauptes für eine bestimmte Zeitspanne sich völlig ausliefern?

1 ERZÄHLERIN
Martha wird zu dem Schluss kommen: Sie ist der Geschichtsschreibung nichts schuldig.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Nach dem Tod ihres Mannes 1799 verbrennt sie die Briefe der beiden. 41 gemeinsame Jahre, hunderte Dokumente. Weil sie die Nachwelt nichts angehen.

2 ERZÄHLERIN
Übrigens: Ihre Korrespondenz schreibt sie selten selbst.

1 ERZÄHLERIN
Vielleicht ausgenommen der Liebesbriefe an ihren George, den sie wirklich gerne hat, was für damalige Ehen keine Selbstverständlichkeit ist. Ansonsten diktiert sie einem Sekretär.

2 ERZÄHLERIN
In Grammatik ist sie nicht firm. Geboren am 13. Juni 1731 ist Martha das ältestes von acht Kindern eines solide gestellten Tabakpflanzers. Auf dem weitläufigen Landgut am York River erzieht sie der Vater, wie für Oberschichtmädchen in der Region gängig:

05 ZITATOR PRESSE 2
Lesen und Schreiben in Grundzügen genügt.

ATMO Stadt viktorianisches England

1 ERZÄHLERIN
Der Vater setzt aufs Praktische, Kaufmännische. Weil das einer vermutlich angehenden Plantagenbesitzergattin nicht schaden kann, nimmt er die junge Martha oft die paar Kilometer mit nach Williamsburg, in die Hauptstadt des Commonwealth of Virginia, der ältesten englischen Kolonie in Nordamerika.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Im Provinzparlament beobachtet die Tochter, wie Politik gemacht wird. Die wohlhabenden Pflanzer dominieren – wiederum untereinander abgestuft nach Hektar, Ertrag, Gewinn. Geld, Beziehungen, Hierarchien bestimmen Entscheidungen, weniger die besseren Argumente.

2 ERZÄHLERIN
Spannenderweise sind es genau diese Mechanismen von „Ober sticht Unter“, die man in der neuen Welt zwar selbst bedient, die man sich aber nicht gefallen lassen will von einem Kolonialherren. Geldadel – ja. Erbaristokratie – ganz und gar nicht.

ATMO Offiziersclub

1 ERZÄHLERIN
So verkürzt erfährt das auch Martha, wenn der Vater sie nach den Parlamentssitzungen mitnimmt in Tavernen wie „Raleigh´s“ oder den „Apollo Room“. Am Biertisch schmieden Revolutionäre erste Pläne, um sich loszulösen vom Mutterland England.

MUSIK & ATMO

2 ERZÄHLERIN
Noch liegt die amerikanische Revolution in der Ferne. Mit 17 Jahren heiratet Martha ihren ersten Mann. Dem nahezu doppelt so alten Daniel Park Curtis gehören umfangreiche Ländereien und wie bei Virginias Grundherren damals üblich eine stattliche Anzahl von Sklavinnen und Sklaven.

1 ERZÄHLERIN
Die dunkelhaarige Martha mit den warmen braunen Augen ist hübsch, einfühlsam, grundsätzlich gut gelaunt, vertritt aber – wenn geboten –einen eigenen Standpunkt. So zierlich sie ist, so zupackend kann sie sein. Geldzählen interessiert sie peripher. Gesellschaftliche Verpflichtungen kümmern sie nur, wenn man dabei ausgelassen tanzen kann.

2 ERZÄHLERIN
Sie ist in erster Linie ein Familienmensch.

1 ERZÄHLERIN
Es trifft sie schwer, als zwei ihrer vier Kinder früh sterben.

2 ERZÄHLERIN
Dieses Schicksal teilt sie mit vielen Eltern in den Kolonien. Krankheiten grassieren, die medizinische Versorgung ist sogar in den Großstädten prekär. Die Kindersterblichkeit ist hoch.

1 ERZÄHLERIN
Martha trauert lange, will für sich sein.

2 ERZÄHLERIN
Ist aber auf einen Schlag wieder ganz gefordert.

1 ERZÄHLERIN
Der überraschende Tod ihres Manns Daniel reißt sie aus der Lethargie. Sohn Jack und Tochter Patcy sind noch klein.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Martha ist 25 Jahre alt und die mit Abstand reichste Witwe in weitem Umkreis. Mit Verve übernimmt sie die Plantagengeschäfte. Die Herren geben sich die Klinke in die Hand. Anteilnahme und Brautwerbung gehen nahtlos ineinander über.

1 ERZÄHLERIN
Bis dann der eine kommt, 1758. Sie kennt ihn von früheren gesellschaftlichen Anlässen, hat auf Bällen mit ihm getanzt.

2 ERZÄHLERIN
Virginias Oberschicht ist überschaubar.

1 ERZÄHLERIN
George Washington, groß, athletisch, elegant –

2 ERZÄHLERIN
Die Nase etwas zu lang, die Haut leicht pockennarbig –

1 EZRÄHLERIN
Das rotbraune Haar kess gewellt, die grauen Augen - er schaut nur eben zum Dinner vorbei und reitet, wie es die Legende will…

ZITATOR WASHINGTON
„Erst am nächsten Morgen weiter als die Sonne schon hoch am Himmel stand“.

1 ERZÄHLERIN
Liebe auf den ersten Blick?

2 ERZÄHLERIN
Eher praktische Überlegungen?

1 ERZÄHLERIN
Sie finden sich und heiraten.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Washingtons Vita ist bereits zum Zeitpunkt des Dinners, das bis zum Frühstück dauert, beeindruckend.

02 ZITATOR INFO
Ländereien in Virginia, am Potomac und am Rappahannock. Geschäftssinn in Sachen Immobilienkauf und -verkauf. Plus der Ruf eines jungen Kriegshelden. Seit fast drei Jahren tobt der Kolonialkrieg Briten gegen Franzosen. Die Lage generell: chaotisch. Für Washington aber bislang durchaus ruhmreich. Beispiel:

ZITATORIN
Die erfolgsverwöhnten britischen Soldaten versuchen den französischen Stützpunkt Fort Duquesne in der westlichen Wildnis, hinter dem heutigen Pittsburgh zu erobern. Die Franzosen aber stellen mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung eine Falle. Die Briten verlieren die Nerven, werfen die Waffen weg oder schießen aus Versehen auf die eigenen Leute. Der Einzige, der mit seiner Einheit einen einigermaßen geordneten Rückzug hinbekommt, ist George Washington, der Colonel der Miliz von Virginia. Die Briten nennen seine Truppe aus Freiwilligen lange „Freizeitmannschaft“. Nach dem Debakel bei Duquesne nicht mehr.

1 ERZÄHLERIN
Am 6. Januar 1759 ist Hochzeit. Ein Leben in der Politik an der Seite eines bekannten Feldherren bahnt sich für Martha Washington an. In der neuen Welt gerät vieles in Aufruhr. Die Unzufriedenheit mit dem despotischen Kolonialherren in Großbritannien, George III., wächst.

2 ERZÄHLERIN
Warum an irgendeine Hoheit horrende Steuern zahlen auf alles Mögliche – für nichts?

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Im alten Europa fragen sich das die Menschen auch. Sei es in England oder Frankreich. Doch durch die dicken Schlossmauern Versailles beispielsweise, wo eine unglückliche Königin Marie Antoinette ihren Platz sucht, dringen solche Stimmen selten.

2 ERZÄHLERIN
Man lebt weiterhin nach der bewährten Gebrauchsanleitung für Monarchen. Was soll schon schief gehen?

ATMO Marktplatz Frankreich

1 ERZÄHLERIN
Es sind die 1780er, die Jahre vor der Französischen Revolution. In Paris schwirrt die Luft. An Straßenecken und in Cafés tauscht man Neuigkeiten aus, tratscht. Das Lieblingsthema egal welcher Gesellschaftsschicht: Die Eskapaden der Königin. Billige Heftchen, genannt „Libelles“, bringen einen Skandal nach dem anderen. Sex, Alkohol, Intrigen –

2 ERZÄHLERIN
Wer nicht lesen kann, lässt es sich vorlesen. Wer sich die Libelles nicht leisten kann, klaubt sie aus dem Müll.

ZITATORES
l'Autrichien/ Die Ausländerin/ l'étranger/ Die Fremde

1 ERZÄHLERIN
Ist offensichtlich zu allem fähig!

2 ERZÄHLERIN
Tatsächlich will Marie Antoinette nur endlich zu einem fähig sein: Mama werden. Die Ehe mit Ludwig XVI. ist zu lange kinderlos. Ihre Mutter in Wien, Kaiserin Maria Theresia bangt um die Allianz mit Frankreich.

1 ERZÄHLERIN
Ein Thronfolger muss her, bitte danke!

1 ZU Lindinger 15:50
Deswegen hat sie dann zum Josef II. gesagt, der war Mitregent, dann schon später Kaiser, war sehr berühmt in Österreich für eben seine aufklärerischen Prinzipien, und der ist hinuntergefahren nach Paris, hat sich getroffen mit dem Ludwig XVI. und hat ihm erklärt, wie der eheliche Verkehr funktioniert.

1 ERZÄHLERIN
Erzählt Michaela Lindinger. Die Kuratorin des Wien Museums hat 2023 eine Biografie veröffentlicht über Marie Antoinette.

2 ZU Lindinger 15:50
Da gibt's einen Brief, den er geschrieben hat an seinen anderen Bruder zwar Leopold II., der war später auch Kaiser. Damals war er noch Fürst in der Toskana, und der Brief lässt wirklich an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Und am Schluss steht halt dann ja, seine Schwester sei ja auch eine unfassbar leidenschaftslose Person, und gemeinsam sind sie die größten Stümper, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Es ist ein sehr, sehr böser Brief. Aber trotzdem es hat etwas gebracht. Es sind ja dann doch in relativ kurzer Zeit mehrere Kinder hintereinander zur Welt gekommen.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Endlich erfüllt die französische Königin die Erwartungen eines Volkes, das gar nicht ihres ist oder sein will. „Die Österreicherin“ nennt Frankreich Marie Antoinette hartnäckig. Am Versailler Hof fasst sie nicht Fuß, in den Straßen und Gassen Paris und an etlichen anderen Orten im Land köchelt bereits der Aufstand gegen das überkommene System der Monarchie.

1 ERZÄHLERIN
Während in Frankreich eine Epoche zu Ende geht, beginnt einen Kontinent weiter eine neue: Die jungen Vereinigten Staaten von Amerika wählen ihren ersten Präsidenten an die Spitze des neuen Staates. An seiner Seite Martha Washington als – ja was? Das Konzept der First Lady wird sie definieren, während im alten Europa mit Marie Antoinette des Konstrukt Königin zu Grabe getragen wird zumindest in Frankreich. Zwei Frauen – zwei Schicksale, sehr verschieden, aber in vielem auch ganz ähnlich.

2 ERZÄHLERIN
Treffen werden sie sich nie.

1 ERZÄHLERIN
Verstanden hätten sie sich vielleicht.

MUSIK & ATMO Kinder

2 ERZÄHLERIN
Beide sind Familienmenschen. Martha Washington, weil sie es liebt und sein darf. Marie Antoinette gegen alle Konventionen. Sie stillt ihre Kinder –

1 ERZÄHLERIN
Ein No Go für französische Königinnen.

2 ERZÄHLERIN
Sie liest den vier Kleinen vor, musiziert mit ihnen, tollt zusammen durch den Park. Kümmert sich um den Ältesten, der an einer Erbkrankheit leidet und nicht laufen kann – was das Volk nicht wissen darf.

1 ERZÄHLERIN
Besser gestellte Damen in Paris sind längst beides: Begeisterte Mutter und Grand Dame.

2 ERZÄHLERIN
In Versailles meckert man. Marie Antoinette ist von vornherein abonniert auf Kritik. Eine festgelegte Aufgabe für Königinnen gibt es nicht. Was soll sie machen? Hofzeremoniell? Weil das einengend ist und der Ehemann desinteressiert, schafft sie sich eine eigene Welt.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Sie lässt einen pompösen Gartenpalast bauen und trifft in diesem Trianon ausgesuchte Freundinnen und Freundin.

1 ERZÄHLERIN
Wählerisch ist die Königin nicht. Lust an Spiel und Tanz und neuster Mode genügt.

2 ERZÄHLERIN
Eine Gast ist besonders: Der schwedische Diplomat Hans Axel von Fersen.

3 ZU Lindinger 17:35
Es war ihre große Liebe, mit dem sie innerlich sehr eng verbunden war und ihr Mann, der natürlich selber gewusst hat, er kann sie nicht glücklich machen. Also er hat diese Beziehung zum Fersen ja auch definitiv erlaubt.

2 ERZÄHLERIN
Fersen wird ihre Konstante sein. Als er Anfang der 1780er Jahre nach Amerika geht, um dort zu kämpfen für die Unabhängigkeit der Kolonien, fiebert Marie Antoinette mit. Freiheit – das ist ihr großer Wunsch, ihr Antrieb. Leben wie man will und sagen was man möchte und entscheiden, handeln und dafür nicht ständig angegriffen und verleumdet werden.

1 ERZÄHLERIN
Man kann alles auswarten, hat ihr die Mutter, Kaiserin Maria Theresia beigebracht.

2 ERZÄHLERIN
Die Wiener Boulevardzeitungen sind jedoch milde im Vergleich. Die französischen Spottschriften überbieten sich an reißerischen Fake News.

4 ZU Lindinger 24:54
Es ist ein Pamphlet erschienen. Und das hieß „Vor Sonnenaufgang“. Da hat man so beschrieben wie sie mit ihren jugendlichen Freunden in irgendwelche Gebüsche in Versailles Schlosspark kriecht und sich dort mit Männern und Frauen vergnügt. Das war ein sehr, sehr langes Pamphlet, das so zahlreiche unterschiedliche sexuelle Beziehungen verdeutlicht hat. Und es ist immer wieder zitiert worden am Hof.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Marie Antoinette bekommt Angst. Der König wimmelt sie ab.

1 ERZÄHLER
Er ist froh, als der enge Freund seiner Frau, Fersen, endlich aus den USA zurückkehrt und sich mit ihr beschäftigt.

2 ERZÄHLERIN
Sie auch.

MUSIK

5 ZU Lindinger 48.50
Es war ihre Art der persönlichen Rettung. Ja, wenn ich mit einem Mann verheiratet bin, der so ist wie Ludwig XVI. - und wenn ich gleichzeitig diese ganze Hofgesellschaft rund um mich habe, die mich jeden Tag nur fertig macht. Und dann weiß ich auch noch, dass diese Hofgesellschaft in Paris die Journalisten zahlt, die Lügen über mich verbreiten. Ich glaube diese Beziehung mit dem Fersen, das war das große Glück in Marie Antoinettes Leben. Auf Dauer nicht, der war ja viel weg.

2 ERZÄHLERIN
Fersen wird tatsächlich auch diesmal bald abkommandiert, er muss den schwedischen König auf einer Europa-Reise begleiten. Marie Antoinette lenkt sich ab: Sie designt Kleider, sitzt für Portraits, tobt im Garten mit den Kindern, abends ist Party.

1 ERZÄHLERIN
Über die am nächsten Morgen die wildesten Gerüchte in den Spottzeitungen stehen. Das Leben der Königin von Frankreich: Ein infernalisches Chaos!

MUSIK & ATMO

1 ERZÄHLERIN
Ganz anders das Eheleben der später ersten First Lady der USA, Martha Washington in den 1770er Jahren. Sie muss nicht lange überlegen, was ein Zeitvertreib sein könnte. Einen Ersatzalltag, eine Flucht braucht sie nicht. Sie hat reichlich Aufgaben auf der Plantage Mount Vernon. Um vier Uhr morgens steht sie auf, kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, sie ist auch die, die die Arbeitseinteilung der Sklaven organisiert, die vorwiegend auf den Feldern schuften müssen. Ihrem Mann hält sie den Rücken frei. Der engagiert sich politisch als Abgeordneter des House of Burgesses in Virginia. Höhen und Tiefen gehen beide an. An einem strahlenden Sommertag 1773 beim Familiendinner hat Marthas Tochter aus erster Ehe, Patcy, einen epileptischen Anfall. Wie oft. Nur diesmal weit heftiger als sonst. Der Teenager stirbt in den Armen des Stiefvaters.

2 ERZÄHLERIN
Es ist eine persönliche Tragödie. Auch Königin Marie Antoinette wird Kinder zu Grabe tragen, aber immer unter den Augen der französischen Öffentlichkeit. Der Fortbestand der Monarchie hängt an gesundem Nachwuchs.

1 ERZÄHLERIN
Martha und George Washington bewältigen den Schmerz über den Verlust gemeinsam, reden viel. Darüber und alles andere.

MUSIK

03 ZITATOR INFO
Die politische Situation spitzt sich zu. Im Dezember 1773 entern erboste Bürger im Hafen von Bosten Handelsschiffe und werfen deren Ladung ins Wasser: Es ist Tee aus Indien, den die britische Krone mit eklatanten Steuern belastet hat. In Virginia bilden sich Fronten. Auf der einen Seite steht der Gouverneur, der die Kolonie verwalten soll, zusammen mit englandtreuen Loyalisten. Auf der anderen Seite eine Opposition, die auf die Einhaltung ihrer Rechte pocht, sich den Menschen in Boston an die Seite stellt und Zulauf bekommt, aus den verschiedensten Schichten. Ihr Slogan: Keine Besteuerung ohne Repräsentation. Ihr Ziel: Entweder Mitspracherecht im britischen Parlament oder kein britischer König mehr als Kolonialherr. Der Erste Kontinental-Kongress in Philadelphia will ein gemeinsames Vorgehen der 13 Kolonien beraten gegen ein zunehmend repressives Mutterland Großbritannien. George Washington ist eingeladen als Repräsentant von Virginia.

2 ERZÄHLERIN
Am Vorabend des Kongresses treffen sich einige Delegierte auf Mount Vernon und diskutieren:

1 ERZÄHLERIN
Überhaupt am nächsten Tag hinzufahren – das ist keine einfache Entscheidung.

2 ERZÄHLERIN
Schon die Teilnahme am Kongress werden die Engländer ansehen als Verschwörung zum Hochverrat.

1 ERZÄHLERIN
Washington entscheidet sich für Philadelphia.

2 ERZÄHLERIN
Seine Kollegen auch.

1 ERZÄHLERIN
Und Martha. Als sich die Gesellschaft am Morgen auf den Weg macht dorthin, sagt sie ihren wohl berühmtesten Satz:

04 ZITATORIN MARTHA
„Bleiben Sie standhaft, Gentlemen – ich weiß, dass George es sein wird.“

MUSIK

ZITATOR INFO
Im Frühjahr 1775 eskaliert die Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und den Kolonien. Washington wird Oberbefehlshaber einer Armee, die er erst aufbauen muss. Und die der größten Militärmaschinerie der Welt trotzen soll. Er zieht direkt ins Feldlager der Freiwilligenarmee von Boston.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Martha folgt ihm – und später von Heerlager zu Heerlager. Sie pflegt verwundete Soldaten, spendet Trost, stopft Socken. Sie kümmert sich um die Menschen und um militärische Belange. Bei den strategischen Planungssitzungen in Washingtons Hauptquartier sitzt ist sie gerne dabei. Sie sitzt bei ihrem Mann an der Tafel, wenn bedeutende Besucher ins Heerlager der Kontinentalarmee kommen, etwa amerikanische Befehlshaber oder in der späteren Phase des Krieges französische.

2 ERZÄHLERIN
Der aus Deutschland stammende General von Steuben nennt sie:

01 ZITATOR
„Eine römische Matrone!“

1 ERZÄHLERIN
Das Kompliment amüsiert sie. Als Tochter eines Tabakpflanzers, Witwe eines Gutsbesitzers und nun wieder Frau eines solchen ist sie reine Männerrunden gewohnt. Ob Geschäftspartner daheim beim Diner – gewinnbringend – zu unterhalten oder eben jetzt am Tisch im Zelt des Kommandanten strategische Wogen zu glätten – Martha Washington schüttelt sowas aus dem Ärmel.

2 ERZÄHLERIN
Wobei die Revolution langsam mal rum sein könnte.

MUSIK

05 ZITATORIN MARTHA
„Ich hoffe und vertraue darauf, dass alle Staaten den großen Durchbruch schaffen, die britischen Grausamkeiten stoppen und uns Frieden, Freiheit und Freude bringen, nach denen wir uns so lange bereits sehnen“.

1 ERZÄHLERIN
Schreibt Martha Washington in ihren Briefen.

06 ZITATORIN MARTHA
„Ich wünschte, der Krieg ginge zu Ende.“

2 ERZÄHLERIN
Der zieht sich. Mehrfach ist die Moral der Truppe am Boden. Es fehlt an Ausrüstung und Lebensmitteln, die Niederlagen gegen die oft übermächtig erscheinenden Briten sind schmerzlich. George Washingtons Charisma reißt seine Männer ein ums andere Mal mit.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Und vielleicht überzeugt die Soldaten auch der unerschütterliche Glaube seiner Frau an ihn – nach wie vor gilt ihr:

07 ZITATORIN MARTHA
„Bleiben Sie standhaft, Gentlemen – ich weiß, dass George es sein wird.“

2 ERZÄHLERIN
Marie Antoinette hat keine Ahnung, auf was sie sich bei Louis XVI. verlassen kann und ob überhaupt. Arrangierte Adelsehen sind politisch, nicht pathetisch.

1 ERZÄHLERIN
Altbewährtes Konzept.

2 ERZÄHLERIN
Nein, es macht sie nicht glücklich – aber: … Was soll schiefgehen?

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348 episoade

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Erst die Weltwirtschaftskrise, dann der Zweiter Weltkrieg – mittendrin zwei junge Friesen in New York. Inge und Hermann sind unabhängig voneinander hierher ausgewandert und verlieben sich 1938. Doch dann muss Hermann für die Amerikaner an die Front. Wird er als Deutscher auf Deutsche schießen? Wie geht es weiter? Ihr Enkel Bente Faust hat ihre Spuren bis nach Harlem, New York, verfolgt und erzählt in sechs Folgen ihre Liebesgeschichte. ZUM PODCAST
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Mal sozial engagiert, mal selbst politisch aktiv: Die Frauen der deutschen Staatsmänner hatten durchaus Einfluss – doch ihr Engagement geriet im Schatten der Ehemänner oft in Vergessenheit. Historikerin und Buchautorin Heike Specht hat die First Ladies seit 1949 porträtiert. JETZT ANHÖREN
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In schwarzem Trauergewand sitzt Marie Antoinette in ihrer primitiven Zelle in der Conciergerie - bewacht von Soldaten der Revolutionsregierung. Mit der Losung "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" schafften die Revolutionäre nicht bloß die Abkehr vom feudalen Ständestaat - sie formulierten ein Ideal, das heute in den Verfassungen der Demokratien zur selbstverständlichen Norm geworden ist. Noch heute gedenken die Franzosen an ihrem Nationalfeiertag, dem 14. Juli, des Sturms auf die Bastille. Doch das anfängliche Hochgefühl wich bald dem Terror. JETZT ANHÖREN

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Im Podcast „TATORT GESCHICHTE“ sprechen die Historiker Niklas Fischer und Hannes Liebrandt über bekannte und weniger bekannte Verbrechen aus der Geschichte. True Crime – und was hat das eigentlich mit uns heute zu tun?
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Es ist Frühling 1789: Martha Washington ist gerade angekommen in New York, dem provisorischen Amtssitz des ersten, eben erst gewählten Präsidenten der neuen Vereinigten Staaten von Amerika. Die Menge jubelt ihrem Mann George und ihr zu. Sie ist die erste First Lady.

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Bloß, dass der Begriff „First Lady“ damals noch gar nicht richtig etabliert ist und auch keiner weiß, welche Aufgaben die Ehefrau eines gewählten Präsidenten so übernehmen könnte. Soziales Engagement zeigen? Politische Ämter übernehmen? Oder nichts tun, außer an Gattenseite huldvoll lächeln?

ZITATORIN MARTHA
„Ich schätze nur das, was von Herzen kommt.“

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Betont Martha Washington in ersten Interviews häufig.

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Und jedes Mal will die Presse direkt wissen: Wofür genau schlägt dieses Herz? Die Gazetten drängen auf Privates.

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2 ERZÄHLERIN
Nicht verwunderlich, würde eine Königin wie Frankreichs Marie Antoinette urteilten. Für sie, wie überhaupt, den europäischen Hochadel der damaligen Zeit ist klar: Privatheit gibt es bei Königs nicht. Von Gottes Gnaden meint für alle, ganz und gar. Am besten, man legt sich ein dickes Fell zu.

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Aber gilt das auch in einem demokratischen System, wie es zu der Zeit in den USA entsteht? Martha Washington ringt lange und oft mit der Frage: Was sollen und dürfen die Menschen sehen und erfahren von einer First Lady der Vereinigten Staaten?

2 ERZÄHLERIN
Als Frau eines gewählten Staatsoberhauptes für eine bestimmte Zeitspanne sich völlig ausliefern?

1 ERZÄHLERIN
Martha wird zu dem Schluss kommen: Sie ist der Geschichtsschreibung nichts schuldig.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Nach dem Tod ihres Mannes 1799 verbrennt sie die Briefe der beiden. 41 gemeinsame Jahre, hunderte Dokumente. Weil sie die Nachwelt nichts angehen.

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Übrigens: Ihre Korrespondenz schreibt sie selten selbst.

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Vielleicht ausgenommen der Liebesbriefe an ihren George, den sie wirklich gerne hat, was für damalige Ehen keine Selbstverständlichkeit ist. Ansonsten diktiert sie einem Sekretär.

2 ERZÄHLERIN
In Grammatik ist sie nicht firm. Geboren am 13. Juni 1731 ist Martha das ältestes von acht Kindern eines solide gestellten Tabakpflanzers. Auf dem weitläufigen Landgut am York River erzieht sie der Vater, wie für Oberschichtmädchen in der Region gängig:

05 ZITATOR PRESSE 2
Lesen und Schreiben in Grundzügen genügt.

ATMO Stadt viktorianisches England

1 ERZÄHLERIN
Der Vater setzt aufs Praktische, Kaufmännische. Weil das einer vermutlich angehenden Plantagenbesitzergattin nicht schaden kann, nimmt er die junge Martha oft die paar Kilometer mit nach Williamsburg, in die Hauptstadt des Commonwealth of Virginia, der ältesten englischen Kolonie in Nordamerika.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Im Provinzparlament beobachtet die Tochter, wie Politik gemacht wird. Die wohlhabenden Pflanzer dominieren – wiederum untereinander abgestuft nach Hektar, Ertrag, Gewinn. Geld, Beziehungen, Hierarchien bestimmen Entscheidungen, weniger die besseren Argumente.

2 ERZÄHLERIN
Spannenderweise sind es genau diese Mechanismen von „Ober sticht Unter“, die man in der neuen Welt zwar selbst bedient, die man sich aber nicht gefallen lassen will von einem Kolonialherren. Geldadel – ja. Erbaristokratie – ganz und gar nicht.

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1 ERZÄHLERIN
So verkürzt erfährt das auch Martha, wenn der Vater sie nach den Parlamentssitzungen mitnimmt in Tavernen wie „Raleigh´s“ oder den „Apollo Room“. Am Biertisch schmieden Revolutionäre erste Pläne, um sich loszulösen vom Mutterland England.

MUSIK & ATMO

2 ERZÄHLERIN
Noch liegt die amerikanische Revolution in der Ferne. Mit 17 Jahren heiratet Martha ihren ersten Mann. Dem nahezu doppelt so alten Daniel Park Curtis gehören umfangreiche Ländereien und wie bei Virginias Grundherren damals üblich eine stattliche Anzahl von Sklavinnen und Sklaven.

1 ERZÄHLERIN
Die dunkelhaarige Martha mit den warmen braunen Augen ist hübsch, einfühlsam, grundsätzlich gut gelaunt, vertritt aber – wenn geboten –einen eigenen Standpunkt. So zierlich sie ist, so zupackend kann sie sein. Geldzählen interessiert sie peripher. Gesellschaftliche Verpflichtungen kümmern sie nur, wenn man dabei ausgelassen tanzen kann.

2 ERZÄHLERIN
Sie ist in erster Linie ein Familienmensch.

1 ERZÄHLERIN
Es trifft sie schwer, als zwei ihrer vier Kinder früh sterben.

2 ERZÄHLERIN
Dieses Schicksal teilt sie mit vielen Eltern in den Kolonien. Krankheiten grassieren, die medizinische Versorgung ist sogar in den Großstädten prekär. Die Kindersterblichkeit ist hoch.

1 ERZÄHLERIN
Martha trauert lange, will für sich sein.

2 ERZÄHLERIN
Ist aber auf einen Schlag wieder ganz gefordert.

1 ERZÄHLERIN
Der überraschende Tod ihres Manns Daniel reißt sie aus der Lethargie. Sohn Jack und Tochter Patcy sind noch klein.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Martha ist 25 Jahre alt und die mit Abstand reichste Witwe in weitem Umkreis. Mit Verve übernimmt sie die Plantagengeschäfte. Die Herren geben sich die Klinke in die Hand. Anteilnahme und Brautwerbung gehen nahtlos ineinander über.

1 ERZÄHLERIN
Bis dann der eine kommt, 1758. Sie kennt ihn von früheren gesellschaftlichen Anlässen, hat auf Bällen mit ihm getanzt.

2 ERZÄHLERIN
Virginias Oberschicht ist überschaubar.

1 ERZÄHLERIN
George Washington, groß, athletisch, elegant –

2 ERZÄHLERIN
Die Nase etwas zu lang, die Haut leicht pockennarbig –

1 EZRÄHLERIN
Das rotbraune Haar kess gewellt, die grauen Augen - er schaut nur eben zum Dinner vorbei und reitet, wie es die Legende will…

ZITATOR WASHINGTON
„Erst am nächsten Morgen weiter als die Sonne schon hoch am Himmel stand“.

1 ERZÄHLERIN
Liebe auf den ersten Blick?

2 ERZÄHLERIN
Eher praktische Überlegungen?

1 ERZÄHLERIN
Sie finden sich und heiraten.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Washingtons Vita ist bereits zum Zeitpunkt des Dinners, das bis zum Frühstück dauert, beeindruckend.

02 ZITATOR INFO
Ländereien in Virginia, am Potomac und am Rappahannock. Geschäftssinn in Sachen Immobilienkauf und -verkauf. Plus der Ruf eines jungen Kriegshelden. Seit fast drei Jahren tobt der Kolonialkrieg Briten gegen Franzosen. Die Lage generell: chaotisch. Für Washington aber bislang durchaus ruhmreich. Beispiel:

ZITATORIN
Die erfolgsverwöhnten britischen Soldaten versuchen den französischen Stützpunkt Fort Duquesne in der westlichen Wildnis, hinter dem heutigen Pittsburgh zu erobern. Die Franzosen aber stellen mit Hilfe der einheimischen Bevölkerung eine Falle. Die Briten verlieren die Nerven, werfen die Waffen weg oder schießen aus Versehen auf die eigenen Leute. Der Einzige, der mit seiner Einheit einen einigermaßen geordneten Rückzug hinbekommt, ist George Washington, der Colonel der Miliz von Virginia. Die Briten nennen seine Truppe aus Freiwilligen lange „Freizeitmannschaft“. Nach dem Debakel bei Duquesne nicht mehr.

1 ERZÄHLERIN
Am 6. Januar 1759 ist Hochzeit. Ein Leben in der Politik an der Seite eines bekannten Feldherren bahnt sich für Martha Washington an. In der neuen Welt gerät vieles in Aufruhr. Die Unzufriedenheit mit dem despotischen Kolonialherren in Großbritannien, George III., wächst.

2 ERZÄHLERIN
Warum an irgendeine Hoheit horrende Steuern zahlen auf alles Mögliche – für nichts?

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Im alten Europa fragen sich das die Menschen auch. Sei es in England oder Frankreich. Doch durch die dicken Schlossmauern Versailles beispielsweise, wo eine unglückliche Königin Marie Antoinette ihren Platz sucht, dringen solche Stimmen selten.

2 ERZÄHLERIN
Man lebt weiterhin nach der bewährten Gebrauchsanleitung für Monarchen. Was soll schon schief gehen?

ATMO Marktplatz Frankreich

1 ERZÄHLERIN
Es sind die 1780er, die Jahre vor der Französischen Revolution. In Paris schwirrt die Luft. An Straßenecken und in Cafés tauscht man Neuigkeiten aus, tratscht. Das Lieblingsthema egal welcher Gesellschaftsschicht: Die Eskapaden der Königin. Billige Heftchen, genannt „Libelles“, bringen einen Skandal nach dem anderen. Sex, Alkohol, Intrigen –

2 ERZÄHLERIN
Wer nicht lesen kann, lässt es sich vorlesen. Wer sich die Libelles nicht leisten kann, klaubt sie aus dem Müll.

ZITATORES
l'Autrichien/ Die Ausländerin/ l'étranger/ Die Fremde

1 ERZÄHLERIN
Ist offensichtlich zu allem fähig!

2 ERZÄHLERIN
Tatsächlich will Marie Antoinette nur endlich zu einem fähig sein: Mama werden. Die Ehe mit Ludwig XVI. ist zu lange kinderlos. Ihre Mutter in Wien, Kaiserin Maria Theresia bangt um die Allianz mit Frankreich.

1 ERZÄHLERIN
Ein Thronfolger muss her, bitte danke!

1 ZU Lindinger 15:50
Deswegen hat sie dann zum Josef II. gesagt, der war Mitregent, dann schon später Kaiser, war sehr berühmt in Österreich für eben seine aufklärerischen Prinzipien, und der ist hinuntergefahren nach Paris, hat sich getroffen mit dem Ludwig XVI. und hat ihm erklärt, wie der eheliche Verkehr funktioniert.

1 ERZÄHLERIN
Erzählt Michaela Lindinger. Die Kuratorin des Wien Museums hat 2023 eine Biografie veröffentlicht über Marie Antoinette.

2 ZU Lindinger 15:50
Da gibt's einen Brief, den er geschrieben hat an seinen anderen Bruder zwar Leopold II., der war später auch Kaiser. Damals war er noch Fürst in der Toskana, und der Brief lässt wirklich an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Und am Schluss steht halt dann ja, seine Schwester sei ja auch eine unfassbar leidenschaftslose Person, und gemeinsam sind sie die größten Stümper, die man sich überhaupt nur vorstellen kann. Es ist ein sehr, sehr böser Brief. Aber trotzdem es hat etwas gebracht. Es sind ja dann doch in relativ kurzer Zeit mehrere Kinder hintereinander zur Welt gekommen.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Endlich erfüllt die französische Königin die Erwartungen eines Volkes, das gar nicht ihres ist oder sein will. „Die Österreicherin“ nennt Frankreich Marie Antoinette hartnäckig. Am Versailler Hof fasst sie nicht Fuß, in den Straßen und Gassen Paris und an etlichen anderen Orten im Land köchelt bereits der Aufstand gegen das überkommene System der Monarchie.

1 ERZÄHLERIN
Während in Frankreich eine Epoche zu Ende geht, beginnt einen Kontinent weiter eine neue: Die jungen Vereinigten Staaten von Amerika wählen ihren ersten Präsidenten an die Spitze des neuen Staates. An seiner Seite Martha Washington als – ja was? Das Konzept der First Lady wird sie definieren, während im alten Europa mit Marie Antoinette des Konstrukt Königin zu Grabe getragen wird zumindest in Frankreich. Zwei Frauen – zwei Schicksale, sehr verschieden, aber in vielem auch ganz ähnlich.

2 ERZÄHLERIN
Treffen werden sie sich nie.

1 ERZÄHLERIN
Verstanden hätten sie sich vielleicht.

MUSIK & ATMO Kinder

2 ERZÄHLERIN
Beide sind Familienmenschen. Martha Washington, weil sie es liebt und sein darf. Marie Antoinette gegen alle Konventionen. Sie stillt ihre Kinder –

1 ERZÄHLERIN
Ein No Go für französische Königinnen.

2 ERZÄHLERIN
Sie liest den vier Kleinen vor, musiziert mit ihnen, tollt zusammen durch den Park. Kümmert sich um den Ältesten, der an einer Erbkrankheit leidet und nicht laufen kann – was das Volk nicht wissen darf.

1 ERZÄHLERIN
Besser gestellte Damen in Paris sind längst beides: Begeisterte Mutter und Grand Dame.

2 ERZÄHLERIN
In Versailles meckert man. Marie Antoinette ist von vornherein abonniert auf Kritik. Eine festgelegte Aufgabe für Königinnen gibt es nicht. Was soll sie machen? Hofzeremoniell? Weil das einengend ist und der Ehemann desinteressiert, schafft sie sich eine eigene Welt.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Sie lässt einen pompösen Gartenpalast bauen und trifft in diesem Trianon ausgesuchte Freundinnen und Freundin.

1 ERZÄHLERIN
Wählerisch ist die Königin nicht. Lust an Spiel und Tanz und neuster Mode genügt.

2 ERZÄHLERIN
Eine Gast ist besonders: Der schwedische Diplomat Hans Axel von Fersen.

3 ZU Lindinger 17:35
Es war ihre große Liebe, mit dem sie innerlich sehr eng verbunden war und ihr Mann, der natürlich selber gewusst hat, er kann sie nicht glücklich machen. Also er hat diese Beziehung zum Fersen ja auch definitiv erlaubt.

2 ERZÄHLERIN
Fersen wird ihre Konstante sein. Als er Anfang der 1780er Jahre nach Amerika geht, um dort zu kämpfen für die Unabhängigkeit der Kolonien, fiebert Marie Antoinette mit. Freiheit – das ist ihr großer Wunsch, ihr Antrieb. Leben wie man will und sagen was man möchte und entscheiden, handeln und dafür nicht ständig angegriffen und verleumdet werden.

1 ERZÄHLERIN
Man kann alles auswarten, hat ihr die Mutter, Kaiserin Maria Theresia beigebracht.

2 ERZÄHLERIN
Die Wiener Boulevardzeitungen sind jedoch milde im Vergleich. Die französischen Spottschriften überbieten sich an reißerischen Fake News.

4 ZU Lindinger 24:54
Es ist ein Pamphlet erschienen. Und das hieß „Vor Sonnenaufgang“. Da hat man so beschrieben wie sie mit ihren jugendlichen Freunden in irgendwelche Gebüsche in Versailles Schlosspark kriecht und sich dort mit Männern und Frauen vergnügt. Das war ein sehr, sehr langes Pamphlet, das so zahlreiche unterschiedliche sexuelle Beziehungen verdeutlicht hat. Und es ist immer wieder zitiert worden am Hof.

MUSIK

2 ERZÄHLERIN
Marie Antoinette bekommt Angst. Der König wimmelt sie ab.

1 ERZÄHLER
Er ist froh, als der enge Freund seiner Frau, Fersen, endlich aus den USA zurückkehrt und sich mit ihr beschäftigt.

2 ERZÄHLERIN
Sie auch.

MUSIK

5 ZU Lindinger 48.50
Es war ihre Art der persönlichen Rettung. Ja, wenn ich mit einem Mann verheiratet bin, der so ist wie Ludwig XVI. - und wenn ich gleichzeitig diese ganze Hofgesellschaft rund um mich habe, die mich jeden Tag nur fertig macht. Und dann weiß ich auch noch, dass diese Hofgesellschaft in Paris die Journalisten zahlt, die Lügen über mich verbreiten. Ich glaube diese Beziehung mit dem Fersen, das war das große Glück in Marie Antoinettes Leben. Auf Dauer nicht, der war ja viel weg.

2 ERZÄHLERIN
Fersen wird tatsächlich auch diesmal bald abkommandiert, er muss den schwedischen König auf einer Europa-Reise begleiten. Marie Antoinette lenkt sich ab: Sie designt Kleider, sitzt für Portraits, tobt im Garten mit den Kindern, abends ist Party.

1 ERZÄHLERIN
Über die am nächsten Morgen die wildesten Gerüchte in den Spottzeitungen stehen. Das Leben der Königin von Frankreich: Ein infernalisches Chaos!

MUSIK & ATMO

1 ERZÄHLERIN
Ganz anders das Eheleben der später ersten First Lady der USA, Martha Washington in den 1770er Jahren. Sie muss nicht lange überlegen, was ein Zeitvertreib sein könnte. Einen Ersatzalltag, eine Flucht braucht sie nicht. Sie hat reichlich Aufgaben auf der Plantage Mount Vernon. Um vier Uhr morgens steht sie auf, kümmert sich um den Haushalt und die Kinder, sie ist auch die, die die Arbeitseinteilung der Sklaven organisiert, die vorwiegend auf den Feldern schuften müssen. Ihrem Mann hält sie den Rücken frei. Der engagiert sich politisch als Abgeordneter des House of Burgesses in Virginia. Höhen und Tiefen gehen beide an. An einem strahlenden Sommertag 1773 beim Familiendinner hat Marthas Tochter aus erster Ehe, Patcy, einen epileptischen Anfall. Wie oft. Nur diesmal weit heftiger als sonst. Der Teenager stirbt in den Armen des Stiefvaters.

2 ERZÄHLERIN
Es ist eine persönliche Tragödie. Auch Königin Marie Antoinette wird Kinder zu Grabe tragen, aber immer unter den Augen der französischen Öffentlichkeit. Der Fortbestand der Monarchie hängt an gesundem Nachwuchs.

1 ERZÄHLERIN
Martha und George Washington bewältigen den Schmerz über den Verlust gemeinsam, reden viel. Darüber und alles andere.

MUSIK

03 ZITATOR INFO
Die politische Situation spitzt sich zu. Im Dezember 1773 entern erboste Bürger im Hafen von Bosten Handelsschiffe und werfen deren Ladung ins Wasser: Es ist Tee aus Indien, den die britische Krone mit eklatanten Steuern belastet hat. In Virginia bilden sich Fronten. Auf der einen Seite steht der Gouverneur, der die Kolonie verwalten soll, zusammen mit englandtreuen Loyalisten. Auf der anderen Seite eine Opposition, die auf die Einhaltung ihrer Rechte pocht, sich den Menschen in Boston an die Seite stellt und Zulauf bekommt, aus den verschiedensten Schichten. Ihr Slogan: Keine Besteuerung ohne Repräsentation. Ihr Ziel: Entweder Mitspracherecht im britischen Parlament oder kein britischer König mehr als Kolonialherr. Der Erste Kontinental-Kongress in Philadelphia will ein gemeinsames Vorgehen der 13 Kolonien beraten gegen ein zunehmend repressives Mutterland Großbritannien. George Washington ist eingeladen als Repräsentant von Virginia.

2 ERZÄHLERIN
Am Vorabend des Kongresses treffen sich einige Delegierte auf Mount Vernon und diskutieren:

1 ERZÄHLERIN
Überhaupt am nächsten Tag hinzufahren – das ist keine einfache Entscheidung.

2 ERZÄHLERIN
Schon die Teilnahme am Kongress werden die Engländer ansehen als Verschwörung zum Hochverrat.

1 ERZÄHLERIN
Washington entscheidet sich für Philadelphia.

2 ERZÄHLERIN
Seine Kollegen auch.

1 ERZÄHLERIN
Und Martha. Als sich die Gesellschaft am Morgen auf den Weg macht dorthin, sagt sie ihren wohl berühmtesten Satz:

04 ZITATORIN MARTHA
„Bleiben Sie standhaft, Gentlemen – ich weiß, dass George es sein wird.“

MUSIK

ZITATOR INFO
Im Frühjahr 1775 eskaliert die Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und den Kolonien. Washington wird Oberbefehlshaber einer Armee, die er erst aufbauen muss. Und die der größten Militärmaschinerie der Welt trotzen soll. Er zieht direkt ins Feldlager der Freiwilligenarmee von Boston.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Martha folgt ihm – und später von Heerlager zu Heerlager. Sie pflegt verwundete Soldaten, spendet Trost, stopft Socken. Sie kümmert sich um die Menschen und um militärische Belange. Bei den strategischen Planungssitzungen in Washingtons Hauptquartier sitzt ist sie gerne dabei. Sie sitzt bei ihrem Mann an der Tafel, wenn bedeutende Besucher ins Heerlager der Kontinentalarmee kommen, etwa amerikanische Befehlshaber oder in der späteren Phase des Krieges französische.

2 ERZÄHLERIN
Der aus Deutschland stammende General von Steuben nennt sie:

01 ZITATOR
„Eine römische Matrone!“

1 ERZÄHLERIN
Das Kompliment amüsiert sie. Als Tochter eines Tabakpflanzers, Witwe eines Gutsbesitzers und nun wieder Frau eines solchen ist sie reine Männerrunden gewohnt. Ob Geschäftspartner daheim beim Diner – gewinnbringend – zu unterhalten oder eben jetzt am Tisch im Zelt des Kommandanten strategische Wogen zu glätten – Martha Washington schüttelt sowas aus dem Ärmel.

2 ERZÄHLERIN
Wobei die Revolution langsam mal rum sein könnte.

MUSIK

05 ZITATORIN MARTHA
„Ich hoffe und vertraue darauf, dass alle Staaten den großen Durchbruch schaffen, die britischen Grausamkeiten stoppen und uns Frieden, Freiheit und Freude bringen, nach denen wir uns so lange bereits sehnen“.

1 ERZÄHLERIN
Schreibt Martha Washington in ihren Briefen.

06 ZITATORIN MARTHA
„Ich wünschte, der Krieg ginge zu Ende.“

2 ERZÄHLERIN
Der zieht sich. Mehrfach ist die Moral der Truppe am Boden. Es fehlt an Ausrüstung und Lebensmitteln, die Niederlagen gegen die oft übermächtig erscheinenden Briten sind schmerzlich. George Washingtons Charisma reißt seine Männer ein ums andere Mal mit.

MUSIK

1 ERZÄHLERIN
Und vielleicht überzeugt die Soldaten auch der unerschütterliche Glaube seiner Frau an ihn – nach wie vor gilt ihr:

07 ZITATORIN MARTHA
„Bleiben Sie standhaft, Gentlemen – ich weiß, dass George es sein wird.“

2 ERZÄHLERIN
Marie Antoinette hat keine Ahnung, auf was sie sich bei Louis XVI. verlassen kann und ob überhaupt. Arrangierte Adelsehen sind politisch, nicht pathetisch.

1 ERZÄHLERIN
Altbewährtes Konzept.

2 ERZÄHLERIN
Nein, es macht sie nicht glücklich – aber: … Was soll schiefgehen?

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