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Schweizer Schriftsteller Max Frisch auf dem SPD-Parteitag in Hamburg | 17.11.1977 | RAF

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Eigentlich stehe im Zentrum des SPD-Parteitags die Energiepolitik und speziell die Haltung zur Kernkraft, sagt der Moderator. Aber die erst drei Wochen zurückliegenden dramatischen Entwicklungen um die RAF drückten der Veranstaltung ihren Stempel auf. Prominentester Redner ist der Schweizer Schriftsteller Max Frisch, der in der zweiten Hälfte dieses Beitrags mehrmals im O-Ton zu hören ist.

Max Frisch fordert Unabhängigkeit der Regierung von Industrie und Kapital

Frisch solidarisiert sich mit der harten Haltung der Bundesregierung, als es um die Freipressung von Gefangenen ging, sagt aber, diese unbestechliche Haltung tauge nichts, wenn sie sich nicht auch auf allen anderen Gebieten durchschlage. Insbesondere dürfe die Regierung "nicht auf die stille Erpressung durch Besitz der Produktionsmittel" eingehen, sich also nicht in Abhängigkeit von Industrie und Kapital begeben. Applaus. Glaubwürdig sei eine solche Politik nur, wenn die Regierung auf Erpressungen "nicht eingeht und auch an keinem anderen Menschenhandel irgendwo in der Welt beteiligt ist; wenn sie, soweit es nach Völkerrecht möglich ist, den Terror bekämpft auch dort, wo er ein Territorium hat, das ein Markt ist" – eine Anspielung auf den Staatsterror. Applaus.

Schriftsteller Max Frisch nennt junge Menschen "Moralisten"

Max Frisch zitiert Rudi Dutschke und stellt fest, alle Terroristen gehörten der jungen Generation an, sie seien "Moralisten also" wie die Alten. "Wie unschuldig ist unsere Gesellschaft an der Wiederkunft des Terrorismus?" Wie viel Raum sei den Jungen von den Älteren eingeräumt worden, um ihre Zukunft mitzugestalten? Mit mehr Polizei und schärferen Strafgesetzen könne man dem nicht gerecht werden. In Anspielung auf die Mescalero-Debatte um die "klammheimliche Freude" angesichts der RAF-Morde sagte Max Frisch, er spreche hier nicht zu den Zeitgenossen, die eine "klammheimliche Erleichterung" anlässlich der Ermordung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende gespürt hätten. Langer Applaus. "Sondern ich rede zu uns." Die Intellektuellen seien "wieder mal dran", also Opfer der Terrorismusdiskussion. Die Regierung sei "Erblindet am Status quo".

Aus der Archivdatenbank

Frischs Rede auf dem SPD-Parteitag könnte man überschreiben mit "Die Herausforderung durch den Terrorismus und die Art, wie man ihr begegnet" / Der Schriftsteller suchte die geistige Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, die viel mit dem Selbstverständnis und der Glaubwürdigkeit der SPD zu tun hat / Frisch charakterisierte die Stimmung in der BRD folgendermaßen: Es scheint, dass die Zukunft der Angst gehört und nicht der Hoffnung auf mehr Demokratie. Die Hoffnung auf mehr Demokratie gilt als Verharmlosung des Terrorismus. Angst ist des Bürgers erste Pflicht / Die Regierung muss sich die Frage nach der ethischen Legitimation ihres Handelns (d.h. des Hartbleibens gegenüber den Forderungen der Terroristen) stellen / (O-Ton) Max FRISCH, Schweizer Schriftsteller: Diese Legitimation hat eine Regierung nur, wenn sie sich auch auf keinem anderen Gebiet erpressen lässt, wenn sie Terror auch dort bekämpft, wo er institutionalisiert ist / "Die ethische Legitimation für Härte kann nur heißen Verwirklichung des Versprechens nach mehr Demokratie" / Unser Staat muß erst ein Menschenrechtsstaat geworden sein / Die Frage, was die Menschen, die ihrem Ursprung nach Moralisten waren, zu Gewalttätern hat werden lassen, ist gesellschaftlich unerwünscht, da sie zu der Frage führen kann: Wie unschuldig ist unsere Gesellschaft an der Wiederkunft des Terrorismus / "Wie schuldig sind wir durch familiären und institutionalisierten Unverstand gegenüber einer ganzen Generation / Den Beitrag der Intellektuellen "Innovation durch Kritik" darf die Regierung nicht unterschlagen Sendung: Südfunk Aktuell
Moderator: Volker Diepes
Reporter: Ralf Uhlemann
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Max Frisch fordert Unabhängigkeit der Regierung von Industrie und Kapital

Frisch solidarisiert sich mit der harten Haltung der Bundesregierung, als es um die Freipressung von Gefangenen ging, sagt aber, diese unbestechliche Haltung tauge nichts, wenn sie sich nicht auch auf allen anderen Gebieten durchschlage. Insbesondere dürfe die Regierung "nicht auf die stille Erpressung durch Besitz der Produktionsmittel" eingehen, sich also nicht in Abhängigkeit von Industrie und Kapital begeben. Applaus. Glaubwürdig sei eine solche Politik nur, wenn die Regierung auf Erpressungen "nicht eingeht und auch an keinem anderen Menschenhandel irgendwo in der Welt beteiligt ist; wenn sie, soweit es nach Völkerrecht möglich ist, den Terror bekämpft auch dort, wo er ein Territorium hat, das ein Markt ist" – eine Anspielung auf den Staatsterror. Applaus.

Schriftsteller Max Frisch nennt junge Menschen "Moralisten"

Max Frisch zitiert Rudi Dutschke und stellt fest, alle Terroristen gehörten der jungen Generation an, sie seien "Moralisten also" wie die Alten. "Wie unschuldig ist unsere Gesellschaft an der Wiederkunft des Terrorismus?" Wie viel Raum sei den Jungen von den Älteren eingeräumt worden, um ihre Zukunft mitzugestalten? Mit mehr Polizei und schärferen Strafgesetzen könne man dem nicht gerecht werden. In Anspielung auf die Mescalero-Debatte um die "klammheimliche Freude" angesichts der RAF-Morde sagte Max Frisch, er spreche hier nicht zu den Zeitgenossen, die eine "klammheimliche Erleichterung" anlässlich der Ermordung des chilenischen Präsidenten Salvador Allende gespürt hätten. Langer Applaus. "Sondern ich rede zu uns." Die Intellektuellen seien "wieder mal dran", also Opfer der Terrorismusdiskussion. Die Regierung sei "Erblindet am Status quo".

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Frischs Rede auf dem SPD-Parteitag könnte man überschreiben mit "Die Herausforderung durch den Terrorismus und die Art, wie man ihr begegnet" / Der Schriftsteller suchte die geistige Auseinandersetzung mit dem Terrorismus, die viel mit dem Selbstverständnis und der Glaubwürdigkeit der SPD zu tun hat / Frisch charakterisierte die Stimmung in der BRD folgendermaßen: Es scheint, dass die Zukunft der Angst gehört und nicht der Hoffnung auf mehr Demokratie. Die Hoffnung auf mehr Demokratie gilt als Verharmlosung des Terrorismus. Angst ist des Bürgers erste Pflicht / Die Regierung muss sich die Frage nach der ethischen Legitimation ihres Handelns (d.h. des Hartbleibens gegenüber den Forderungen der Terroristen) stellen / (O-Ton) Max FRISCH, Schweizer Schriftsteller: Diese Legitimation hat eine Regierung nur, wenn sie sich auch auf keinem anderen Gebiet erpressen lässt, wenn sie Terror auch dort bekämpft, wo er institutionalisiert ist / "Die ethische Legitimation für Härte kann nur heißen Verwirklichung des Versprechens nach mehr Demokratie" / Unser Staat muß erst ein Menschenrechtsstaat geworden sein / Die Frage, was die Menschen, die ihrem Ursprung nach Moralisten waren, zu Gewalttätern hat werden lassen, ist gesellschaftlich unerwünscht, da sie zu der Frage führen kann: Wie unschuldig ist unsere Gesellschaft an der Wiederkunft des Terrorismus / "Wie schuldig sind wir durch familiären und institutionalisierten Unverstand gegenüber einer ganzen Generation / Den Beitrag der Intellektuellen "Innovation durch Kritik" darf die Regierung nicht unterschlagen Sendung: Südfunk Aktuell
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