Berta Cáceres – Die Stimme der Indigenen in Honduras.
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HUMAN MINDED_Berta Cáceres
Erzählerin: Solveig Jeschke
Austra Bertha Flores López: Margit Sander
Berta Cáceres: Anna Jörgens
Lenca: Benjamin Stolz
Sergio Rodriguez: Uwe Thoma
Gustavo Castro: Stefan Naas
Human Minded. Berta Cáceres.
Die sich nicht aufhalten lässt. Im Kampf für Umwelt und Gerechtigkeit.
Eine wahre Geschichte.
La Esperanza. Im Westen Honduras. Mit 1700 Metern die höchstgelegene Stadt des Landes. Hier kommt Berta Cáceres zur Welt. Im März 1971. Ihre Familie gehört zu den Lenca. Ein indigenes Volk in Mittelamerika mit fast 150.000 Menschen. Etwa 100.000 von ihnen leben in Honduras. Bertas Mutter ist Hebamme. Und sie ist Sozialaktivistin. Sie nimmt Geflüchtete aus El Salvador auf und unterrichtet deren Kinder.
Austra Bertha: „Wenn wir friedlich zusammenleben wollen, ja, hier in Honduras, oder auch in ganz Mittelamerika, dann müssen wir etwas dafür tun. Und das fängt damit an, dass wir uns für entrechtete Menschen einsetzen. Wir alle.“
Den größten Einfluss auf Bertas Entwicklung nimmt ihre Mutter. Austra Bertha Flores López. Eine mutige Frau, die ihr Herz auf der Zunge trägt und die Machenschaften der Militärdiktaturen anprangert. Berta strebt ihrer Mutter nach und kämpft lautstark gegen Landraub, Rassismus und Machismo. 1993 ist sie gemeinsam mit ihrem Mann Mitbegründerin des Bürgerrats der Volks- und Indigenen-Organisationen von Honduras – kurz: COPINH.
Berta: „Wir werden alles für die Durchsetzung unserer Rechte tun. Wir haben ein Recht auf Ausbildung, ein Recht auf unser Land, auf Umweltschutz und das Recht auf Schutz unserer Lenca-Kultur.“
Zu diesem Zeitpunkt leben fünfeinhalb Millionen Menschen in Honduras. Mehr als die Hälfte ist bettelarm. Besonders die Lenca-Indigenen, deren Lebensraum durch Großinvestoren aus der Agrarindustrie bedroht wird und stetig schrumpft. Immer mehr Lenca werden von ihren Feldern vertrieben. Statt Kaffee, Kakao, Tabak, Mais, Weizen oder Zuckerrohr nachhaltig anzubauen, suchen sie nach Jobs in der Stadt, was am Ende wenig aussichtsreich ist. Derweil werden unentwegt Bäume gefällt, Wälder gerodet. Insbesondere nach dem Militärputsch im Jahr 2009 nimmt der Ausverkauf der honduranischen Natur enorm an Fahrt auf. Eine Gruppe Lenca-Indigener wendet sich besorgt an Bertas Organisation COPINH.
Lenca: „Wir kommen aus dem Dorf La Tejera. Direkt am Río Gualcarque. Sie bringen große Maschinen, große Baugeräte ans Flussufer. Was haben die vor?“
Berta: „Na in jedem Fall haben sie vor, uns weiter zu verdrängen. Unsere Autonomie zu stehlen.“
Lenca: „Die Bohnenfelder haben sie schon platt gemacht.“
Berta: „Und jetzt wollen sie uns den Fluss nehmen.“
Der Río Gualcarque ist für die Lenca ein spiritueller Ort. Und das bleibt er nur, wenn der Flusslauf auch weiterhin ein natürlicher ist, von Menschenhand unberührt. Ein für die Menschen von La Tejera heiliger Fluss, der ihren Lebensunterhalt sichert. Doch die Militärregierung hat die Idee, den Bergbau zu fördern, eine Vielzahl von Bergbaubetrieben zuzulassen und für deren Energiebedarf zig Staudämme zu genehmigen. Dafür hat sie Land und Wasser kurzerhand privatisiert. Per Dekret.
Berta: „Agua Zarca. So soll er heißen. Der neue große Staudamm am Río Gualcarque. Agua Zarca. Lasst uns den Wahnsinn verhindern.“
Der Agua Zarca Staudamm ist ein Gemeinschaftsprojekt. Federführend ist das honduranische Energieunternehmen DESA in Zusammenarbeit mit dem größten Staudammbauer der Welt, dem chinesischen Unternehmen Sinohydro. Hinter DESA steckt die Familie Atala. Mit einem Milliardenvermögen und den besten Beziehungen in die Politik. Die Privatisierungsoffensive der Regierung spült noch mehr Geld auf die Konten der Atalas. Auch das Unternehmen Voith aus Heidenheim in Baden-Württemberg ist Geschäftspartner im Projekt Agua Zarca. Es will Turbinen liefern.
Die Lenca hat man zu den Plänen des Staudammbaus am Río Gualcarque nicht gefragt - ein Verstoß gegen internationale Verträge, die die Rechte indigener Völker regeln. Der Fluss soll kanalisiert werden, um Turbinen anzutreiben. Für die Lenca in La Tejera würde das eine Unterbrechung der Wasserversorgung bedeuten, und man würde so auch ihr Recht auf autonome Bewirtschaftung ihres Landes verletzen.
Berta: „Wir müssen das gemeinsam tun. Alleine schaffe ich das nicht.“
Lenca: „Was sollen wir denn tun? Wir haben doch gar keine Erfahrung, an wen wir uns wenden müssen, dass es am Ende auch was bringt.“
Berta: „Die Erfahrung müsst ihr jetzt machen. Und ich gehe meinetwegen auch voran. Doch für den Fall, dass ich eines Tages – sagen wir – verhindert bin, dann müsst ihr ohne mich kämpfen. Darauf müsst ihr Euch vorbereiten.“
Die Lenca organisieren den Widerstand. Mit Berta Cáceres an der Spitze. Sie reichen Beschwerde bei den Regierungsbehörden ein und organisieren eine Bürgerversammlung in La Tejera. Auf friedliche Weise fordern sie ihr Mitspracherecht ein.
Berta: „Hier könnt ihr offiziell eure Stimme abgeben – für oder gegen Agua Zarca. Wir sammeln die Stimmen und geben das Votum an die örtlichen Bürgermeister und auch an die Landesregierung weiter.“
Allerdings ignoriert die Landesregierung die Gegenwehr der Lenca. Etliche Bürgermeister fälschen Protokolle von Gemeindeversammlungen und bieten den Menschen am Río Gualcarque sogar Bargeld an, sollten sie dem Bauprojekt mit ihrer Unterschrift zustimmen.
Berta wendet sich auch an die interamerikanische Kommission für Menschenrechte und fordert, den Geldgebern von Agua Zarca einen Riegel vorzuschieben. Gleichzeitig mehren sich anonyme Drohungen gegen Berta. Immer öfter beobachtet sie vor ihrem kleinen grünen Bungalow parkende Autos mit dunklen Scheiben. Im April 2013 beginnen die Lenca, den Zugang zum Staudammgelände zu blockieren. Über Wochen und Monate wechseln sie sich im Wachtdienst ab. Es gibt kein Durchkommen mehr für die DESA-Fahrzeuge. Die Regierung schickt das Militär. Soldaten bewachen die Baustelle. Dann ein tödlicher Zwischenfall im Juli 2013. Während einer Protestaktion der Lenca gibt es Schüsse am Fluss.
Lenca: „Berta. Berta! Tomás hat’s erwischt. Sie haben ihn erschossen.“
Tomás García. Gemeindevorsteher und COPINH-Mitglied. Erschossen von einem Soldaten. Der Protest der Lenca wird lauter und wütender. Der Tod von García ist kein Einzelfall. Umwelt- und Menschenrechtsaktivisten leben gefährlich in Honduras. Immer wieder werden sie Opfer von Waffengewalt und Folter. Die Blockade an der Dammbaustelle hält über viele Monate, bis die Lenca der Übermacht der Armee nichts mehr entgegenzusetzen haben. Dennoch: Die Baustelle liegt weiter brach. Denn Ende 2013 kündigt das chinesische Unternehmen Sinohydro den Vertrag mit DESA. Als Grund nennen die Chinesen den wachsenden Widerstand der Bevölkerung vor allem nach dem Tod Garcías. Und es gibt eine weitere gute Nachricht für die Lenca.
Berta: „Hört zu. Wir hatten Erfolg. Die IFC zieht ihre Gelder zurück. Begründung: DESA verletze Menschenrechte. Wir schaffen es. Leute, ich sag’s euch. Der Fluss hat es mir verraten.“
Die IFC, International Finance Corporation, ist eine internationale Entwicklungsbank in der Weltbankgruppe. Sie beteiligt sich an großen Vorhaben privater Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern, indem sie langfristige Investitionsdarlehen gewährt. Der Rückzug der IFC aus dem Agua Zarca-Projekt ist für DESA ein schwerer Schlag. Der Bau des Staudamms kommt zum Stillstand. Maschinen und Betonröhren stehen verlassen am Ufer des Río Gualcarque. DESA sucht nach alternativen Finanzierungsquellen. Berta weiß, dass die Lenca ihren Kampf noch nicht gewonnen haben.
Berta: „Sie wollen jetzt am anderen Ufer bauen. Sie meinen, sie könnten so unsere Landrechte umgehen. Kommt. Ich zeig es euch.“
Samstag, 20. Februar 2016. Berta führt eine Gruppe von Aktivisten an die Agua Zarca-Baustelle. Auf dem Weg zum Ufer begegnet ihr Sergio Rodriguez, Abteilungsleiter für Umwelt und Soziales bei DESA.
Rodriguez: „Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, noch weiterzugehen. Drehen Sie lieber um. Es stehen bewaffnete Männer am Fluss.“
Berta: „Wir drehen nicht um. Wir haben ein Recht, hier zu sein.“
Rodriguez: „Ich habe Sie gewarnt. Wenn Ihnen etwas zustößt, dann tragen Sie die Verantwortung, nicht wir.“
Berta führt die Gruppe weiter. Vorbei an finster blickenden Sicherheitsleuten. Am Ufer sucht Berta einen schattigen Platz. Dort verbindet sie sich mit dem Geist des Río Gualcarque. Erst im Dunkeln verlassen sie und ihre Mitstreiter den Fluss. Gehen zu Bertas Auto, das sie völlig demoliert vorfinden.
Berta: „So sind sie. Und noch viel barbarischer. DESA hat eine Liste. Eine lange Abschussliste. Und ich stehe ganz oben.“
Mittwochabend, 2. März 2016. Berta hat in ihrem Haus in La Esperanza einen Gast. Gustavo Castro. Menschenrechtsaktivist aus Mexiko. Gustavo ist für einen Workshop der indigenen COPINH-Organisation nach Honduras gekommen. Es ist spät geworden. Gustavo legt sich in Bertas Wohnzimmer schlafen. Um kurz vor Mitternacht brechen bewaffnete Männer die Hintertür des Hauses auf und dringen in Bertas Schlafzimmer ein. Es fallen Schüsse. Auf der Flucht schießt einer der Täter auch auf Gustavo. Gustavo hat Glück. Zwei Streifschüsse haben ihn nur leicht verletzt. Er hört, wie Berta nach ihm ruft.
Gustavo: „Berta. Berta. Bleib hier. Mach keinen Scheiß. Verdammt.“
Berta verblutet in Gustavos Armen. Am 3. März 2016. Einen Tag vor ihrem 45. Geburtstag.
Im Jahr 2018 erklärt das Energieunternehmen DESA das Staudammprojekt Agua Zarca für beendet. 2019 verurteilt ein honduranisches Gericht sieben Männer zu Haftstrafen zwischen 30 und 50 Jahren. Darunter auch zwei DESA-Führungskräfte. Sie haben die Ermordung Bertas angeordnet. Und auch der Ex-Präsident der DESA, Roberto David Castillo, wird 2021 als Mittäter schuldig gesprochen. Das Urteil: 22einhalb Jahre Haft.
Wenn die Lenca heute an Berta erinnern, dann meistens mit einem ihrer berühmtesten Zitate:
Berta: „Vos tenés la bala - yo la palabra. La bala muere al detonarse – la palabra vive al replicarse.“
„Du hast die Kugel. Ich habe das Wort. Die Kugel stirbt, wenn sie explodiert. Das Wort lebt, wenn es sich reproduziert“.
Berta Cáceres. Die Stimme der Indigenen in Honduras. Berta Cáceres. Human Minded. Eine Produktion des Saarländischen Rundfunks.
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