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Shorts 15 | Haldern Pop Festival 2023 - Ein Bericht
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Haldern Pop Recap 2023 - Ein Bericht
Ein bisschen etwas für die Statistiker:innen unter uns
Zahlen/Zahlen/Zahlen
Schritte: ca. 56.000 Bei Konzert mitgespielt: 1 Die Gefühle gefühlt: Oft genug Gegessene Handbrote: 1 Legendäre Dorfpizza verputzt: 1 Über das Wetter geflucht: 0 Beim Frisör im Ort gewesen: 1 Preis für spontan verpflichtete Gummistiefel: 20 € Gestreichelte Hunde auf dem Hinweg: 0 Gestreichelte Hunde auf dem Rückweg: 2 Dreckige Gummistiefelpaare im Hausflur des Gasthofes: 12 Halderns insgesamt: 8 Ranking: 2022, 2011, 2019, 2021, 2023, 2012, 2013, 2015*
*Das ist halt so, als würde man die Songs auf „Silent Alarm“ ranken. Ja, „Blue Light“, das hat leider nur für Platz 13 gereicht, aber vielleicht tröstet dich die entspannte Wertung von 10/10 darüber hinweg.
Intro
2022 wird auf ewig das beste Haldern bleiben, da lohnt sich das Konkurrenzverhalten sowieso schon nicht. Black Country, New Road auf der Hauptbühne und natürlich mit 30 Leuten im Tonstudio beim Improvisieren, ein Ereignis, für das man so niemals ein Ticket kaufen können wird. Das muss einem passieren, und dass mir das passiert ist, das prägt, das macht etwas mit einem. Aber gut, das war dann eben die Kombination mit Squid, Black Midi und den zig Highlights und abenteuerlichen Brookings, aber davon habe ich letztes Jahr erzählt.
Abwechslungsreichtum. Das ist ja etwas, das man dem Haldern gerne unterstellt, was soweit in Ordnung ist, es stimmt ja auch. Das Wetter macht da gerne mit. Letztes Jahr ergossen sich die 35° über uns, dieses Mal der Regen. Meine alten Festival-Sneaker sollten mich noch auslachen, als ich sie in die Plastiktüte steckte. Jetzt habe ich den Witz verstanden, als es nach der Ankunft nicht aufhören wollte zu regnen und wir unseren Regenjacken so nah waren wie nie. Der smarte Schuhladen im Dorf verhökerte mir ein paar dringend benötigte Gummistiefel, bevor Get Jealous in der Bar spielten, aber nur von draußen zu hören waren.
Mein achtes Haldern bedeutet auch zum achten Mal die legendäre Dorfpizza zu verspeisen, die es innerhalb von 12 Jahren geschafft hat, gerade mal 2 € mehr zu kosten. Man speist hier in der Zeilupeninflation, and I like it. Da sich das Line-Up zu diesem Zeitpunkt eher im egal-eingestuften Bereich angesiedelt hat, wird Kraft getankt, und das erste Highlight auf dem Gelände anzusteuern.
Es wird Zeit für das Spiegelzelt. Zu dem habe ich eine innige Beziehung. Für mich ist es eine der besten Konzertlocations überhaupt. Völlig egal, wie das Wetter draußen ist, im Inneren dieses elegant verschmutzten Spiegeltempels ist Raum für großartigen Sound, viele schwitzende Körper und diese Energie, die sonst nur Clubkonzerte bieten können. Die beste Idee, die Reichmann & Co. je hatten.
Special Interest ist eine queer-feministische Electro-Punk-Band, die den sich nicht bewegenden Typen, die vor uns in Reihe 1 stehen, mächtig eingeheizt haben. Sie stellten meinen Ohrenschutz auf die Probe. Wummernde High-Speed-Beats, quengelnde Gitarren. Sie rannte (so gut das eben ging) durch das Publikum, powerte sich durch den Auftritt und war in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Nur ihre Spucke hätte sie bei sich behalten können (unsympathisch).
Der große Gegenentwurf war dann Marina Herlop, eine Künstlerin, deren Album ich sehr schätze. Es erschien letztes Jahr auf dem Weird-Pop-Label PAN aus Berlin, das mir schon Künstler:innen wie Yves Tumor, Upsammy, Eartheater oder Objekt gebracht hat. Tolle Platte, wie das live auf der Hauptbühne (!) passen soll und das um 18 Uhr, weiß ich nicht. Sie gehört entweder ins Zelt oder ins Tonstudio. Dachte ich. Stimmlich kann sie so viel. Ihre in Eleganz badende und dabei doch verschrobene Avantgarde-Pop-Musik mit elektronischen Elementen ist nichts, wofür das Haldern steht (oder stehen darf, mh), aber dieser digitale/analoge Parallelwelt-Pop für Fans von Arca und Co. ist einfach etwas für mich.
Die Matschepampe, die sich wie ein sumpfiger Teppich über das Gelände erstreckt, das sie Campingplatz und Festivalplatz nennen, gönnt sich inmitten des ständig zurückkehrenden Regens ein paar Überstunden. Letztlich sollte es aber kaum der Rede wert sein, wenngleich der Kontrast zum Vorjahr immer auffälliger wird. Egal. Zurück zur Musik. Es ist seit Jahren kein Geheimnis, dass ich Nation of Language liebe, aber um hier einen anständigen Platz zu ergattern, sollte man noch ein bisschen bei NNAMDI reinschauen. Kein Problem, wird gemacht. Von draußen. Die übergroße Leinwand ist noch so eine geniale Erfindung, die es ermöglicht, Spiegelzelt-Konzerte auch vor dem Zelt zu erleben, wenn es mal nicht anders geht.
Also, Nation of Language. Frontrow, direkter Blick aufs Geschehen. Darunter geht es bei ihnen nicht. Nach fünf Jahren scheint die Band endlich auch flächendeckend andere Ohren in Deutschland zu erreichen, was mich wahnsinnig freut. Der zackige, zugegebenermaßen nicht besonders an Originalität interessierte Synth/Wave-Pop der New Yorker:innen überträgt sich mühelos auf die Bühne, welche zum Glück genügend Platz bietet, um die formschönen Tanzfiguren des Sängers aufnehmen zu können. Das an Deutschland gerichtete Dankeschön à la „Danke für die Musik, die ihr erfunden habt, damit wir sie spielen können“ wird mal nicht hinterfragt, die Laune bleibt golden. Absolutes Highlight. Seid so nett und checkt die Alben, Singles und auch die neue Platte im September ab. Wir hatten eine überbordend großartige Zeit und ich kann nur immer wieder betonen, wie toll das ist, diese Dinge mit dem Menschen zu erleben, den man am allertollsten findet.
Das alte „Zwischenzelt“ auf dem Hauptgelände gibt es nicht mehr. Stattdessen wurde ein kleineres Niederrheinzelt errichtet, das sich abseits der Hauptbühne im Epizentrum der Matsche befindet. Es ist eingerichtet wie eine Bar und hat eine Atmosphäre wie ein kleiner Club mit einer winzigen Bühne und etwa 5 cm Platz zwischen Musiker:innen und Publikum. Ein schönes Update für passende Bands, sollte hier auch das Highlight und der Geheimtipp Bingo Fury auftreten (seine erste und hier im Regal wohnende Single ist auch schon wieder zwei Jahre alt). Technische Probleme verzögerten jedoch den Auftritt, was bedeutete, dass ich mich zwischen ihm und Sorry entscheiden musste. So sehr ich Sorry liebe, ich habe sie noch im Februar in Berlin gesehen, und Bingo Fury war nach eigener Aussage noch niemals außerhalb des UK unterwegs.
Also: Bingo Fury im Niederrheinzelt. Sein rotzig-eleganter Barjazz-Post-Punk mit Gitarre, Glockenspiel und Trompete wollte nicht weniger als Gänsehaut provozieren. Sie wechselten sich an den Instrumenten ab, spielten all meine Hits, groovten und croonten durch das Set und ich so: Hach. Im Anschluss habe ich ein Shirt gekauft und im Smalltalk erkundet, wann das Album kommt (Februar!) und wie es in Sachen Tour aussieht. Er braucht und sucht Konzertvenues. Helft ihm.
Wir klopfen uns den getrockneten Matsch von den Stiefeln, der noch eine kleine, krümelige Spur hinterlässt. Für das Frühstück waren wir zu spät, also haben wir uns bei einem der zuverlässigen Dorfbäcker die angemessene Tagesdosis Körnerbrötchen mit unangemessener Tagesdosis Remoulade zusammenbasteln lassen. Ich lasse mir spontan die Haare schneiden (das ist, wie wir jungen Leute sagen, Rock 'n' Roll) und starten den Tag nach einem zarten Schauer entspannt im Dorf. Es sollte einer der letzten an diesem Tag sein.
Die Highlights:
In der Kirche interessiert das eh nicht. Dort kümmert sich Lie Ning darum, seine schöne und fast samtweiche Stimme, die aber zarte Kratzer und Schnitte erlaubt, über sehr smarte Soul- und Pop-Songs zu wickeln, deren Texten man mal gerne etwas aufmerksamer lauschen darf.
Leider hatten sich die Lieblinge von Just Mustard zu dem Zeitpunkt noch grundlos vom Festival ferngehalten. Die Tränen trockneten zwar ähnlich langsam wie der Rasen auf dem Gelände, aber wir wählten den sportiven Indie-Rock der Britne Courting als angemessene Therapiemaßnahme. Schön auch, diese Vorfreude-Talks vor den Konzerten mit Leuten, mit denen man auf einer Wellenlänge surft. Immer wenn ich kontempliere, dass die Musikleidenschaft da draußen nachlässt, weiß ich solche Situationen besonders zu schätzen.
Zu dritt also Courting, die sich durch ihre (noch) überschaubare Discografie spielen und beweisen, dass man nichts von den Klischees halten sollte, die sie in schnöde Pubrock-Ecken stellen. Sehr feiner Auftritt, bei dem sich der Sänger gegen Ende ein Dance-Off mit dem Publikum lieferte, während er mir seine Cowbell in die Hand drückte und ich versuchte, den Geist aller Rhythmen zu beschwören. Ich entschied mich für Klong-Klong, Klong Klononong, Klong Klong Klong. Völlig okay, wenn ihr gerade zu tanzen anfangt. This is the rhythm of the night. Nein, ein schönes Erlebnis war das.
Kurzer Snack und dann zur bereits gestarteten Katy J Pearson. Auch sie macht es sich im Spiegelzelt gemütlich, huldigt dabei den B-52s mit einem Cover und scheint mit jedem Song das Zelt ein Stück weit heller strahlen zu lassen. Wird nicht meine absolute Favoritin, aber der Auftritt wollte gefallen. Eine tolle Band hatte sie dabei.
Rüber zur Hauptbühne, da hat Olivia Dean unter dem sonnigsten Sonnenschein, den das Haldern dieses Jahr erlauben sollte, eine runde Performance zwischen Soul, Pop und R'n'B abgeliefert. Ein paar angemessene Lebensweisheiten gab es gratis dazu und wer kann die nicht gebrauchen, wenn man nicht weiß, wohin mit sich? Wer das nicht weiß, kann aber auch seine Füße erstmal zum Tanzen nutzen, was ganz gut klappt, gerade mit ihrem Hit "Dive", zu dem ich eine auf den ersten und, naja, auch auf den zweiten Blick willkürlich anmutende Tanzspur in den Matsch fräse.
Ein Handbrot später will der Platz ganz vorne ebenfalls eingefräst werden. Porridge Radio wollen kurz "Hallo!"* sagen (*eine Stunde mit T-Shirt-Kanonen Gänsehaut aufs Publikum ballern). Ich dachte erst, klar, auch die wollen lieber ins Zelt, aber a) sind sie dafür viel zu groß und b) verdient die Main Stage mehr Liebe, besonders in Kombination mit dem erfrischendem Konzept namens "nahendem Sonnenuntergang". Das von mir eher mäßig aufgefasste aktuelle Album gewinnt nochmal enorm, die Stimme knallt richtig rein und sie treffen nicht nur musikalisch jeden erforderlichen Ton an diesem Abend, sondern dampfen die Kommunikation mit dem Publikum auf ein nötiges Mindestmaß ab, angereichert mit dem ein oder anderen Lächeln (das die Musik ja eher vermeidet).
Nach dem Konzert gibt es diesen einen Seufzer, den ihr alle kennt. Da liegt eine Menge drin. Dass es schön war, dass es leider vorbei ist, dass man aber überhaupt dabei war. Und dass noch eine Pommes echt immer reingeht. Das und alles, was sich gerade richtig anfühlt.
Tag 3 bricht an, und wir öffnen die 15-Gramm-Packung der am Frühstückstisch servierten Blaubeermarmelade, wie sie kein Krankenhaus dieses Landes hübscher in Plastik einschweißen könnte.
Die Pop-Bar ist nicht weit entfernt und wird direkt um 11 Uhr aufgesucht. Schließlich hat sich über Nacht die Vorfreude auf die australische Band Floodlights aufgeladen, deren hymnisch-rumpelnder Indie-Rock den letzten Festivaltag eröffnen sollte. Die Idee hatten eine ganze Menge Leute, und wenn sich hier die Info gut machen würde, wie viele Leute in diese kleine Bar überhaupt reindürfen – es sind ziemlich genau 120. In der Pop-Bar steht man vorne praktisch mit auf der Bühne. Distanz wird hier zum Fremdwort erklärt, aber die Stimmung will genau das. Außerdem fühlen sich Bar-Konzerte immer noch eine Spur geheimer an. Auch immer schön: Die Leute, die nicht reingekommen sind, dürfen trotzdem gute Plätze kassieren. Sie stehen draußen an den zur Straße geöffneten Fenstern praktisch mittendrin. Super Show. Toller Auftakt.
Wir bleiben im Dorf, die langen Haare der demnächst auftretenden Japaner werfen ihre flatternden Schatten voraus, aber ein letztes Mal geht’s in die Kirche. Ich sage es jedes Jahr aufs Neue: Schmeißt den nervigen Religionsquatsch da raus und behaltet die Gebäude für Konzerte. Dobrawa Czocher hat ihr Cello eingesteckt und spielt sich in umwerfender Akustik durch ihre Kompositionen. Das ist eines dieser Konzerte, die sich auch mit geschlossenen Augen gut machen, denn so ein bisschen möchte man hier fast allein sein.
Zackig zum Jugendheim, das letztes Jahr pausierte und seit einigen Jahren den ohnehin super diversen Konzertvenues nochmal eine andere Note gibt. Nachdem wir uns frühzeitig um einen Platz an der Front gekümmert haben (geht bei denen nicht anders), geht’s zwei Treppen nach oben und in eine Art Mini-Aula, kaum größer (wenn überhaupt) als die Pop-Bar. Wo normalerweise vermutlich eher fürs Impro-Theater geprobt wird, spielt plötzlich eine der spannendsten Bands des ganzen Festivals: Bo Ningen. Viermal sehr lange Haare, fescher Style, ein alles offenbarendes Stricknetzhemd, rapsprechender-quietschender Gesang, Gesichtsverzerrungen, wie wir sie letztes Jahr sonst nur von Dry Cleaning kannten, ultra groovender J-Rock, Post-Alles, Psychedelic-Noise. You name it. Sonderapplaus für den Drummer. Großartig.
Das war es in diesem Jahr für das Dorf. Ab nach unten. Auf der Hauptbühne zeigen The Mysterines, dass sich ein Soundcheck manchmal auch bis in den Auftritt ziehen kann. Die vielen nach oben gerichteten Zeigefinger und Blicke zur Seite ließen die Sängerin der Band für kurze Zeit eher die dunkle Seite der Laune antesten. Uns sollte das nicht groß stören, da unten klang alles wunderbar. Noisy, grungy und doch poppy. Darf man live wirklich mal mitnehmen.
Dieses Jahr mal kein Tonstudio. Zeitlich ging es einfach nicht aus. Stattdessen zurück zum Spiegelzelt. Sylvie Kreusch ist eine dieser Musikerinnen, die live vermutlich überzeugender ist als auf Platte. Ihr sehr stylischer Leftfield-Pop, gleich zwei Drummer, einer davon spielte halbierte Kokusnüsse, während dazu passende Sonnenbrillen getragen wurden, hat viel Spaß gebracht. Das regelmäßig dazu gehauchte „Merci“ und überhaupt eine in Coolness getränkte Stimmung gab uns den Rest. Super.
So langsam wuchs die Vorfreude auf meine Nummer-1-Band des Wochenendes: Famous. Einmal noch an das Geländer festketten, einmal noch frühzeitig ins Zelt. Aber bei der gigantischen Party, die Baby Volcano vorher im Zelt abgerissen hat, sollte das ohnehin mit jeder Menge Freiwilligkeit begegnet werden. Treibende, wummernde Beats, ein bebendes Zelt und spanisch vorgetragene Texte, welche die in der Schweiz aufgewachsene Musikerin ins Publikum gepumpt hat. Wirkte alles bereits wie das Ende des Wochenendes, wie der letzte große Rauschmeißer. Durchatmen gibt es aber nicht. Ich sprinte nach vorne, und der „Vorfreude ist die schönste Freude“-Modus schickt sich an, das letzte große Fest des Festivals mit mir zu feiern.
Famous ist eine Band, die mich seit einigen Jahren begleitet. Ihre beiden EPs wohnen nicht nur im Plattenregal, sondern auch im Herzen. Dass sie letztes Jahr schon auf dem Haldern gespielt haben, war einer der Gründe, warum 2022 für mich zum Premium-Festival wurde. Sie spielten dort allerdings „nur“ in der Bar, was ich fast als Verschwendung bezeichnen würde. Jetzt aber der Sprung ins Spiegelzelt. Die abgescannte Setlist sagt, es gibt zwei neue Songs, einer heißt "Lübeck", endlich Anerkennung für die tapferen Holsteiner, aber zunächst steigen zwei Mitarbeiterinnen auf die Bühne. Gerade die neue Auszubildende, die ihre ersten Tage am Festival arbeitet, wird mit Sprechchören von allen bejubelt. Irgendwie kommt hier wieder alles zusammen, was das Festival ausmacht. Das Herzblut aller Beteiligten und die Liebe zur Musik, die auch durch die Geschichten vermittelt wird, welche die beiden hier über Famous zu erzählen haben. Musikalisch sind sie mal wieder über alle Zweifel erhaben. Das verstrahlt-nölige, das gleißend Helle in den aus dem Nichts kommenden Synths, die groovenden Songs, die torkelnden Melodien und das wahnsinnig Treibende, was noch immer Platz für die dicksten Ohrwürmer hat. Das Album ist aufgenommen, 2024 kommt es, und egal wo sie spielen werden, ich werde da sein. Überragende Band. So glaubt mir doch.
Was hilft, um runterzukommen? Natürlich ein bisschen euphorische Chaos-Musik von Rückkehrer Shabaka, der letztes Jahr schon für wundgetanzte Füße gesorgt hat und dieses Mal mit seiner Band The Comet Is Coming am Start ist. Die Main Stage wird mit kosmisch-jazzy Superfunk abgeräumt. Ein in vielerlei Hinsicht epischer Abschluss eines schönen Halderns.
Nächstes Jahr dann Runde 9. Das Zimmer ist längst reserviert, der Termin steht im Kalender. Die Gummistiefel haben es sich auf dem Dachboden gemütlich gemacht.
Das Haldern darf in Sachen Booking gerne wieder ein bisschen anziehen, aber was es perfektioniert hat, ist seine Location(s), seine überschaubare Größe und sein Herzblut in eine Festivalformel zu gießen, die aufgeht, weil sie in Deutschland ziemlich einzigartig bleibt. Nächstes Jahr vielleicht auch endlich wieder ausverkauft.
xxx
129 episoade
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Haldern Pop Recap 2023 - Ein Bericht
Ein bisschen etwas für die Statistiker:innen unter uns
Zahlen/Zahlen/Zahlen
Schritte: ca. 56.000 Bei Konzert mitgespielt: 1 Die Gefühle gefühlt: Oft genug Gegessene Handbrote: 1 Legendäre Dorfpizza verputzt: 1 Über das Wetter geflucht: 0 Beim Frisör im Ort gewesen: 1 Preis für spontan verpflichtete Gummistiefel: 20 € Gestreichelte Hunde auf dem Hinweg: 0 Gestreichelte Hunde auf dem Rückweg: 2 Dreckige Gummistiefelpaare im Hausflur des Gasthofes: 12 Halderns insgesamt: 8 Ranking: 2022, 2011, 2019, 2021, 2023, 2012, 2013, 2015*
*Das ist halt so, als würde man die Songs auf „Silent Alarm“ ranken. Ja, „Blue Light“, das hat leider nur für Platz 13 gereicht, aber vielleicht tröstet dich die entspannte Wertung von 10/10 darüber hinweg.
Intro
2022 wird auf ewig das beste Haldern bleiben, da lohnt sich das Konkurrenzverhalten sowieso schon nicht. Black Country, New Road auf der Hauptbühne und natürlich mit 30 Leuten im Tonstudio beim Improvisieren, ein Ereignis, für das man so niemals ein Ticket kaufen können wird. Das muss einem passieren, und dass mir das passiert ist, das prägt, das macht etwas mit einem. Aber gut, das war dann eben die Kombination mit Squid, Black Midi und den zig Highlights und abenteuerlichen Brookings, aber davon habe ich letztes Jahr erzählt.
Abwechslungsreichtum. Das ist ja etwas, das man dem Haldern gerne unterstellt, was soweit in Ordnung ist, es stimmt ja auch. Das Wetter macht da gerne mit. Letztes Jahr ergossen sich die 35° über uns, dieses Mal der Regen. Meine alten Festival-Sneaker sollten mich noch auslachen, als ich sie in die Plastiktüte steckte. Jetzt habe ich den Witz verstanden, als es nach der Ankunft nicht aufhören wollte zu regnen und wir unseren Regenjacken so nah waren wie nie. Der smarte Schuhladen im Dorf verhökerte mir ein paar dringend benötigte Gummistiefel, bevor Get Jealous in der Bar spielten, aber nur von draußen zu hören waren.
Mein achtes Haldern bedeutet auch zum achten Mal die legendäre Dorfpizza zu verspeisen, die es innerhalb von 12 Jahren geschafft hat, gerade mal 2 € mehr zu kosten. Man speist hier in der Zeilupeninflation, and I like it. Da sich das Line-Up zu diesem Zeitpunkt eher im egal-eingestuften Bereich angesiedelt hat, wird Kraft getankt, und das erste Highlight auf dem Gelände anzusteuern.
Es wird Zeit für das Spiegelzelt. Zu dem habe ich eine innige Beziehung. Für mich ist es eine der besten Konzertlocations überhaupt. Völlig egal, wie das Wetter draußen ist, im Inneren dieses elegant verschmutzten Spiegeltempels ist Raum für großartigen Sound, viele schwitzende Körper und diese Energie, die sonst nur Clubkonzerte bieten können. Die beste Idee, die Reichmann & Co. je hatten.
Special Interest ist eine queer-feministische Electro-Punk-Band, die den sich nicht bewegenden Typen, die vor uns in Reihe 1 stehen, mächtig eingeheizt haben. Sie stellten meinen Ohrenschutz auf die Probe. Wummernde High-Speed-Beats, quengelnde Gitarren. Sie rannte (so gut das eben ging) durch das Publikum, powerte sich durch den Auftritt und war in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Nur ihre Spucke hätte sie bei sich behalten können (unsympathisch).
Der große Gegenentwurf war dann Marina Herlop, eine Künstlerin, deren Album ich sehr schätze. Es erschien letztes Jahr auf dem Weird-Pop-Label PAN aus Berlin, das mir schon Künstler:innen wie Yves Tumor, Upsammy, Eartheater oder Objekt gebracht hat. Tolle Platte, wie das live auf der Hauptbühne (!) passen soll und das um 18 Uhr, weiß ich nicht. Sie gehört entweder ins Zelt oder ins Tonstudio. Dachte ich. Stimmlich kann sie so viel. Ihre in Eleganz badende und dabei doch verschrobene Avantgarde-Pop-Musik mit elektronischen Elementen ist nichts, wofür das Haldern steht (oder stehen darf, mh), aber dieser digitale/analoge Parallelwelt-Pop für Fans von Arca und Co. ist einfach etwas für mich.
Die Matschepampe, die sich wie ein sumpfiger Teppich über das Gelände erstreckt, das sie Campingplatz und Festivalplatz nennen, gönnt sich inmitten des ständig zurückkehrenden Regens ein paar Überstunden. Letztlich sollte es aber kaum der Rede wert sein, wenngleich der Kontrast zum Vorjahr immer auffälliger wird. Egal. Zurück zur Musik. Es ist seit Jahren kein Geheimnis, dass ich Nation of Language liebe, aber um hier einen anständigen Platz zu ergattern, sollte man noch ein bisschen bei NNAMDI reinschauen. Kein Problem, wird gemacht. Von draußen. Die übergroße Leinwand ist noch so eine geniale Erfindung, die es ermöglicht, Spiegelzelt-Konzerte auch vor dem Zelt zu erleben, wenn es mal nicht anders geht.
Also, Nation of Language. Frontrow, direkter Blick aufs Geschehen. Darunter geht es bei ihnen nicht. Nach fünf Jahren scheint die Band endlich auch flächendeckend andere Ohren in Deutschland zu erreichen, was mich wahnsinnig freut. Der zackige, zugegebenermaßen nicht besonders an Originalität interessierte Synth/Wave-Pop der New Yorker:innen überträgt sich mühelos auf die Bühne, welche zum Glück genügend Platz bietet, um die formschönen Tanzfiguren des Sängers aufnehmen zu können. Das an Deutschland gerichtete Dankeschön à la „Danke für die Musik, die ihr erfunden habt, damit wir sie spielen können“ wird mal nicht hinterfragt, die Laune bleibt golden. Absolutes Highlight. Seid so nett und checkt die Alben, Singles und auch die neue Platte im September ab. Wir hatten eine überbordend großartige Zeit und ich kann nur immer wieder betonen, wie toll das ist, diese Dinge mit dem Menschen zu erleben, den man am allertollsten findet.
Das alte „Zwischenzelt“ auf dem Hauptgelände gibt es nicht mehr. Stattdessen wurde ein kleineres Niederrheinzelt errichtet, das sich abseits der Hauptbühne im Epizentrum der Matsche befindet. Es ist eingerichtet wie eine Bar und hat eine Atmosphäre wie ein kleiner Club mit einer winzigen Bühne und etwa 5 cm Platz zwischen Musiker:innen und Publikum. Ein schönes Update für passende Bands, sollte hier auch das Highlight und der Geheimtipp Bingo Fury auftreten (seine erste und hier im Regal wohnende Single ist auch schon wieder zwei Jahre alt). Technische Probleme verzögerten jedoch den Auftritt, was bedeutete, dass ich mich zwischen ihm und Sorry entscheiden musste. So sehr ich Sorry liebe, ich habe sie noch im Februar in Berlin gesehen, und Bingo Fury war nach eigener Aussage noch niemals außerhalb des UK unterwegs.
Also: Bingo Fury im Niederrheinzelt. Sein rotzig-eleganter Barjazz-Post-Punk mit Gitarre, Glockenspiel und Trompete wollte nicht weniger als Gänsehaut provozieren. Sie wechselten sich an den Instrumenten ab, spielten all meine Hits, groovten und croonten durch das Set und ich so: Hach. Im Anschluss habe ich ein Shirt gekauft und im Smalltalk erkundet, wann das Album kommt (Februar!) und wie es in Sachen Tour aussieht. Er braucht und sucht Konzertvenues. Helft ihm.
Wir klopfen uns den getrockneten Matsch von den Stiefeln, der noch eine kleine, krümelige Spur hinterlässt. Für das Frühstück waren wir zu spät, also haben wir uns bei einem der zuverlässigen Dorfbäcker die angemessene Tagesdosis Körnerbrötchen mit unangemessener Tagesdosis Remoulade zusammenbasteln lassen. Ich lasse mir spontan die Haare schneiden (das ist, wie wir jungen Leute sagen, Rock 'n' Roll) und starten den Tag nach einem zarten Schauer entspannt im Dorf. Es sollte einer der letzten an diesem Tag sein.
Die Highlights:
In der Kirche interessiert das eh nicht. Dort kümmert sich Lie Ning darum, seine schöne und fast samtweiche Stimme, die aber zarte Kratzer und Schnitte erlaubt, über sehr smarte Soul- und Pop-Songs zu wickeln, deren Texten man mal gerne etwas aufmerksamer lauschen darf.
Leider hatten sich die Lieblinge von Just Mustard zu dem Zeitpunkt noch grundlos vom Festival ferngehalten. Die Tränen trockneten zwar ähnlich langsam wie der Rasen auf dem Gelände, aber wir wählten den sportiven Indie-Rock der Britne Courting als angemessene Therapiemaßnahme. Schön auch, diese Vorfreude-Talks vor den Konzerten mit Leuten, mit denen man auf einer Wellenlänge surft. Immer wenn ich kontempliere, dass die Musikleidenschaft da draußen nachlässt, weiß ich solche Situationen besonders zu schätzen.
Zu dritt also Courting, die sich durch ihre (noch) überschaubare Discografie spielen und beweisen, dass man nichts von den Klischees halten sollte, die sie in schnöde Pubrock-Ecken stellen. Sehr feiner Auftritt, bei dem sich der Sänger gegen Ende ein Dance-Off mit dem Publikum lieferte, während er mir seine Cowbell in die Hand drückte und ich versuchte, den Geist aller Rhythmen zu beschwören. Ich entschied mich für Klong-Klong, Klong Klononong, Klong Klong Klong. Völlig okay, wenn ihr gerade zu tanzen anfangt. This is the rhythm of the night. Nein, ein schönes Erlebnis war das.
Kurzer Snack und dann zur bereits gestarteten Katy J Pearson. Auch sie macht es sich im Spiegelzelt gemütlich, huldigt dabei den B-52s mit einem Cover und scheint mit jedem Song das Zelt ein Stück weit heller strahlen zu lassen. Wird nicht meine absolute Favoritin, aber der Auftritt wollte gefallen. Eine tolle Band hatte sie dabei.
Rüber zur Hauptbühne, da hat Olivia Dean unter dem sonnigsten Sonnenschein, den das Haldern dieses Jahr erlauben sollte, eine runde Performance zwischen Soul, Pop und R'n'B abgeliefert. Ein paar angemessene Lebensweisheiten gab es gratis dazu und wer kann die nicht gebrauchen, wenn man nicht weiß, wohin mit sich? Wer das nicht weiß, kann aber auch seine Füße erstmal zum Tanzen nutzen, was ganz gut klappt, gerade mit ihrem Hit "Dive", zu dem ich eine auf den ersten und, naja, auch auf den zweiten Blick willkürlich anmutende Tanzspur in den Matsch fräse.
Ein Handbrot später will der Platz ganz vorne ebenfalls eingefräst werden. Porridge Radio wollen kurz "Hallo!"* sagen (*eine Stunde mit T-Shirt-Kanonen Gänsehaut aufs Publikum ballern). Ich dachte erst, klar, auch die wollen lieber ins Zelt, aber a) sind sie dafür viel zu groß und b) verdient die Main Stage mehr Liebe, besonders in Kombination mit dem erfrischendem Konzept namens "nahendem Sonnenuntergang". Das von mir eher mäßig aufgefasste aktuelle Album gewinnt nochmal enorm, die Stimme knallt richtig rein und sie treffen nicht nur musikalisch jeden erforderlichen Ton an diesem Abend, sondern dampfen die Kommunikation mit dem Publikum auf ein nötiges Mindestmaß ab, angereichert mit dem ein oder anderen Lächeln (das die Musik ja eher vermeidet).
Nach dem Konzert gibt es diesen einen Seufzer, den ihr alle kennt. Da liegt eine Menge drin. Dass es schön war, dass es leider vorbei ist, dass man aber überhaupt dabei war. Und dass noch eine Pommes echt immer reingeht. Das und alles, was sich gerade richtig anfühlt.
Tag 3 bricht an, und wir öffnen die 15-Gramm-Packung der am Frühstückstisch servierten Blaubeermarmelade, wie sie kein Krankenhaus dieses Landes hübscher in Plastik einschweißen könnte.
Die Pop-Bar ist nicht weit entfernt und wird direkt um 11 Uhr aufgesucht. Schließlich hat sich über Nacht die Vorfreude auf die australische Band Floodlights aufgeladen, deren hymnisch-rumpelnder Indie-Rock den letzten Festivaltag eröffnen sollte. Die Idee hatten eine ganze Menge Leute, und wenn sich hier die Info gut machen würde, wie viele Leute in diese kleine Bar überhaupt reindürfen – es sind ziemlich genau 120. In der Pop-Bar steht man vorne praktisch mit auf der Bühne. Distanz wird hier zum Fremdwort erklärt, aber die Stimmung will genau das. Außerdem fühlen sich Bar-Konzerte immer noch eine Spur geheimer an. Auch immer schön: Die Leute, die nicht reingekommen sind, dürfen trotzdem gute Plätze kassieren. Sie stehen draußen an den zur Straße geöffneten Fenstern praktisch mittendrin. Super Show. Toller Auftakt.
Wir bleiben im Dorf, die langen Haare der demnächst auftretenden Japaner werfen ihre flatternden Schatten voraus, aber ein letztes Mal geht’s in die Kirche. Ich sage es jedes Jahr aufs Neue: Schmeißt den nervigen Religionsquatsch da raus und behaltet die Gebäude für Konzerte. Dobrawa Czocher hat ihr Cello eingesteckt und spielt sich in umwerfender Akustik durch ihre Kompositionen. Das ist eines dieser Konzerte, die sich auch mit geschlossenen Augen gut machen, denn so ein bisschen möchte man hier fast allein sein.
Zackig zum Jugendheim, das letztes Jahr pausierte und seit einigen Jahren den ohnehin super diversen Konzertvenues nochmal eine andere Note gibt. Nachdem wir uns frühzeitig um einen Platz an der Front gekümmert haben (geht bei denen nicht anders), geht’s zwei Treppen nach oben und in eine Art Mini-Aula, kaum größer (wenn überhaupt) als die Pop-Bar. Wo normalerweise vermutlich eher fürs Impro-Theater geprobt wird, spielt plötzlich eine der spannendsten Bands des ganzen Festivals: Bo Ningen. Viermal sehr lange Haare, fescher Style, ein alles offenbarendes Stricknetzhemd, rapsprechender-quietschender Gesang, Gesichtsverzerrungen, wie wir sie letztes Jahr sonst nur von Dry Cleaning kannten, ultra groovender J-Rock, Post-Alles, Psychedelic-Noise. You name it. Sonderapplaus für den Drummer. Großartig.
Das war es in diesem Jahr für das Dorf. Ab nach unten. Auf der Hauptbühne zeigen The Mysterines, dass sich ein Soundcheck manchmal auch bis in den Auftritt ziehen kann. Die vielen nach oben gerichteten Zeigefinger und Blicke zur Seite ließen die Sängerin der Band für kurze Zeit eher die dunkle Seite der Laune antesten. Uns sollte das nicht groß stören, da unten klang alles wunderbar. Noisy, grungy und doch poppy. Darf man live wirklich mal mitnehmen.
Dieses Jahr mal kein Tonstudio. Zeitlich ging es einfach nicht aus. Stattdessen zurück zum Spiegelzelt. Sylvie Kreusch ist eine dieser Musikerinnen, die live vermutlich überzeugender ist als auf Platte. Ihr sehr stylischer Leftfield-Pop, gleich zwei Drummer, einer davon spielte halbierte Kokusnüsse, während dazu passende Sonnenbrillen getragen wurden, hat viel Spaß gebracht. Das regelmäßig dazu gehauchte „Merci“ und überhaupt eine in Coolness getränkte Stimmung gab uns den Rest. Super.
So langsam wuchs die Vorfreude auf meine Nummer-1-Band des Wochenendes: Famous. Einmal noch an das Geländer festketten, einmal noch frühzeitig ins Zelt. Aber bei der gigantischen Party, die Baby Volcano vorher im Zelt abgerissen hat, sollte das ohnehin mit jeder Menge Freiwilligkeit begegnet werden. Treibende, wummernde Beats, ein bebendes Zelt und spanisch vorgetragene Texte, welche die in der Schweiz aufgewachsene Musikerin ins Publikum gepumpt hat. Wirkte alles bereits wie das Ende des Wochenendes, wie der letzte große Rauschmeißer. Durchatmen gibt es aber nicht. Ich sprinte nach vorne, und der „Vorfreude ist die schönste Freude“-Modus schickt sich an, das letzte große Fest des Festivals mit mir zu feiern.
Famous ist eine Band, die mich seit einigen Jahren begleitet. Ihre beiden EPs wohnen nicht nur im Plattenregal, sondern auch im Herzen. Dass sie letztes Jahr schon auf dem Haldern gespielt haben, war einer der Gründe, warum 2022 für mich zum Premium-Festival wurde. Sie spielten dort allerdings „nur“ in der Bar, was ich fast als Verschwendung bezeichnen würde. Jetzt aber der Sprung ins Spiegelzelt. Die abgescannte Setlist sagt, es gibt zwei neue Songs, einer heißt "Lübeck", endlich Anerkennung für die tapferen Holsteiner, aber zunächst steigen zwei Mitarbeiterinnen auf die Bühne. Gerade die neue Auszubildende, die ihre ersten Tage am Festival arbeitet, wird mit Sprechchören von allen bejubelt. Irgendwie kommt hier wieder alles zusammen, was das Festival ausmacht. Das Herzblut aller Beteiligten und die Liebe zur Musik, die auch durch die Geschichten vermittelt wird, welche die beiden hier über Famous zu erzählen haben. Musikalisch sind sie mal wieder über alle Zweifel erhaben. Das verstrahlt-nölige, das gleißend Helle in den aus dem Nichts kommenden Synths, die groovenden Songs, die torkelnden Melodien und das wahnsinnig Treibende, was noch immer Platz für die dicksten Ohrwürmer hat. Das Album ist aufgenommen, 2024 kommt es, und egal wo sie spielen werden, ich werde da sein. Überragende Band. So glaubt mir doch.
Was hilft, um runterzukommen? Natürlich ein bisschen euphorische Chaos-Musik von Rückkehrer Shabaka, der letztes Jahr schon für wundgetanzte Füße gesorgt hat und dieses Mal mit seiner Band The Comet Is Coming am Start ist. Die Main Stage wird mit kosmisch-jazzy Superfunk abgeräumt. Ein in vielerlei Hinsicht epischer Abschluss eines schönen Halderns.
Nächstes Jahr dann Runde 9. Das Zimmer ist längst reserviert, der Termin steht im Kalender. Die Gummistiefel haben es sich auf dem Dachboden gemütlich gemacht.
Das Haldern darf in Sachen Booking gerne wieder ein bisschen anziehen, aber was es perfektioniert hat, ist seine Location(s), seine überschaubare Größe und sein Herzblut in eine Festivalformel zu gießen, die aufgeht, weil sie in Deutschland ziemlich einzigartig bleibt. Nächstes Jahr vielleicht auch endlich wieder ausverkauft.
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